Mehr als Ernährung: Was uns länger gesund und schön hält

Mikroorganismen statt Fleisch, individuelle Beauty-Produkte, funktionelle Nahrung und das alles hyperpersonalisiert: In der Balance könnte das Geheimnis für ein langes, gesundes Leben liegen. Was es dazu braucht, zeigte die 5. International Food Innovation Conference am GDI.
27 Juni, 2025 durch
Mehr als Ernährung: Was uns länger gesund und schön hält
GDI Gottlieb Duttweiler Institute

Die wichtigsten Erkenntnisse:

  • Ein holistischer Ansatz wird immer zentraler. Für Unternehmen, aber auch im Mindset der Kundinnen und Kunden. Nur wer Ernährung, Gesundheit und Beauty verknüpft denkt, ist langfristig erfolgreich. Eine Balance, die in der koreanischen Kultur längst verankert ist.
  • Grosse prognostizierte Marktvolumen bieten viel Potenzial für Unternehmen. Bis 2028 soll der Wellbeing-Markt weltweit 9 Billionen umfassen und der globale Kollagenmarkt bei rund 16 Milliarden US Dollar bis 2030 liegen.
  • Nachhaltigkeit ist ein immer stärkeres Kundenbedürfnis. Tierfreie Produkte sind nicht nur ein Lifestyle, sondern sowohl in der Ernährung wie auch bei Inhaltsstoffen für Kosmetik und Pharma oft funktionaler als herkömmliche Produkte.
  • Selbstoptimierung ist im Trend und damit auch eine immer stärkere Personalisierung von Angeboten und Dienstleistungen über alle Branchen hinweg. Dabei ist die Skalierbarkeit derzeit noch eine Herausforderung.

Nachdem die Branchen Ernährung, Gesundheit und Beauty lange im Silodenken gefangen waren, findet in den letzten Jahren eine Verschmelzung zu einem ganzheitlichen Wohlbefinden statt. Wellness wird zum Lifestyle und die Gesundheit zum langfristigen Ziel. Für Unternehmen liegt viel Potential in diesem Markt. Bereits 2023 zählte dieser weltweit ein Volumen von 6,3 Billionen US Dollar und soll bis 2028 mit einer überdurchschnittlichen Wachstumsrate von 7,3 Prozent auf 9 Billionen USD anwachsen. (1) Treiber für diesen Markt liegen einerseits in den neuen technologischen Möglichkeiten. Wearables und Gamification-Ansätze unterstützen die individuelle Selbstoptimierung, während hyperpersonalisierte Produkte und Dienstleistungen die Bedürfnisse des Einzelnen abholen.

Gesundheit von aussen und innen

Auch Toby Clark vom Marktforschungsunternehmen Mintel nimmt ein verstärktes Gesundheitsgefühl wahr, bei dem die Ernährung eine wichtige Rolle spielt. So kämpfen mehr als 900 Millionen Menschen weltweit mit Übergewicht (2). 38 Prozent der Betroffenen in Deutschland, die sich mit Gewichtsverlust befassen, nutzten bereits GLP1-Medikamente zum Abnehmen oder sind daran interessiert (3). Dennoch sieht Clark für Unternehmen in anderen Bereichen weit mehr Potential. Etwa wenn es um Proteine oder Nahrungsfasern geht. Während früher der Fokus auf der Reduktion von Ungesundem, wie Zucker oder Fett lag, verschiebt sich dieser hin zu einer Ernährung, die mit guten Nährstoffen angereichert wird.

Toby Clark

Also mehr von dem, was uns gut tut. Doch was ist das? Nora Khaldi, Gründerin und CEO von Nuritas erklärt, dass viele Inhaltsstoffe in unserer Ernährung, in Beauty-Produkten und Medikamenten sehr alt sind und damit nicht (mehr) unseren Bedürfnissen entsprechen. Wearables bieten immer mehr Messung und Personalisierung, dabei hinkt die Ernährung hinterher. Mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz gelang ihr die Entschlüsselung von Peptiden – das sind kurzkettige Proteine, welche für diverse biologische Prozesse im menschlichen Körper entscheidend sind. Die KI analysiert in einer Vorselektion Milliarden von Peptiden. Die Erkenntnisse daraus werden im Labor validiert. So hat ihr Team beispielsweise aus der Ackerbohne das Peptid PeptiStrong entdeckt, welches die Wirksamkeit von Proteinen beim Muskelaufbau verstärkt. Besonders wichtig: Nur was klinisch erwiesen ist, schafft wirklich Vertrauen.

Im Panelgespräch tauschten sich Leonie Bode von der Longevity-Klinik AYUN und Julia Hoffmann von Biogena über Langlebigkeit und Nahrungsergänzungsmittel aus. Beide betonen die Wichtigkeit der wissenschaftlich belegten Wirkung von Produkten und Behandlungen. Denn die Nachfrage nach Leistungssteigerung und Selbstoptimierung und damit Longevity-Behandlungen und Angeboten steigt kontinuierlich an. Beispielsweise in den Wellnessbereichen von Hotels, aber auch in der Ernährungsberatung und beim Personal Training. Dabei ist sowohl die Personalisierung als auch der ganzheitliche Aspekt vermehrt ein Kundenbedürfnis: So werden etwa individuelle Beauty-Produkte mit massgeschneiderten Nahrungsergänzungsmitteln und einer Rotlichttherapie kombiniert.

Julia Hoffmann und Leonie Bode
Ewige Jugend?

«Altern ist die Grundursache für Alterskrankheiten – warum bekämpfen wir also nicht die Ursache, statt nur Krankheiten zu behandeln», fragt Harvardprofessor zu Beginn seines Vortrags. Er plädiert dafür, das Altern als Informationsverlust zu interpretieren. Wie bei einer zerkratzten CD, auf der die Musik noch immer enthalten ist, aber nicht mehr gelesen werden kann. In verschiedenen Experimenten zeigten er und sein Team, dass mit einem Eingriff in das Epigenom der Alterungsprozess nicht nur gestoppt sondern gar umgekehrt werden kann. Die Wunderpille gibt es aber auch von ihm nicht. «Deine DNA ist nicht dein Schicksal.» Etwa 85 Prozent unseres biologischen Alters beruhen auf einem gesunden Lifestyle: Kein Zucker, keine Snacks, vegane Ernährung, kein Alkohol und viel Bewegung. Auch in der Longevity tragen mehrere Faktoren zu viel Lebensqualität bis ins hohe Alter bei. Sinclair rät in einem ersten Schritt zu gesunder Ernährung in Kombination mit ausreichend Bewegung. Dazu kommen weitere Faktoren, um die Alterung zu verlangsamen. Junge Menschen sollten etwa wenig an die Sonne zum Schutz der Haut oder keine laute Musik hören, um die Ohren zu schonen. Da mit 30 der Metabolismus abnimmt, empfiehlt er ab dieser Altersgruppe nur noch in einem Zeitfenster von sechs Stunden pro Tag zu essen. Zudem lohne es sich, Stammzellen zu speichern, um im Alter auf diese zurückgreifen zu können. Schlussendlich fördert auch ein gutes soziales Netzwerk die Gesundheit: «Ein zuverlässiger Partner ist mit der beste Weg für ein längeres Leben – das ist wissenschaftlich erwiesen», so Sinclair.

Judith Williams

Neben der Gesundheit ist das äusserliche Erscheinungsbild für viele ein wichtiger Faktor, das wiederum auch mit der Ernährung zusammenhängt. «Den Smoothie oder den Speck, den Sie heute gefrühstückt haben, zeigt sich in ein paar Tagen auf Ihrer Haut»: Für Judith Williams, Investorin und Gründerin von Judith Williams Cosmetics, ist Beauty stark mit der Ernährung verwurzelt. Im Bühnengespräch sprach sie über das grosse Potential von der Personalisierung, die zwar in den Startlöchern steht, im Schönheitsbereich aber noch nicht stark vorangeschritten ist. Dabei ist das Hautmikrobiom von jeder Person so individuell wie der Fingerabdruck. Auch sie bemerkt, dass die Kundinnen und Kunden ganzheitlicher denken und die Wechselwirkung von Ernährung, Gesundheit und Schönheit mitdenken. Zusätzlich steigt das Bedürfnis nach Nachhaltigkeit und veganen Produkten.

Mit Biotechnologie in die Zukunft

Die Gerste wird zum Träger für die Produktion und Vermehrung von menschlichen und tierischen Wachstumsfaktoren. Werden Pflanzen für die Herstellung von Spezialproteinen verwendet, nennt man das auch Molecular Farming, erklärt Björn Örvar von ORF Genetics diesen Einsatz von Biotechnologie. Ihre hochreinen Wirkstoffe kommen in der Stammzellentechnologie, Hautpflege, Biopharma und der Produktion von kultiviertem Fleisch zum Einsatz. Dank der Kultivierung in der Gerste produziert die isländische Firma hochwertige Inhaltsstoffe mit tiefen Kosten und schafft eine hohe Skalierbarkeit.

Erfahren Sie mehr über das Zeitalter der Biologie

Eine Studie des GDI zeigt, wie sich die Beziehung zwischen Mensch, Natur und Technik verändert. 

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A GDI study shows how the relationship between humans, nature and technology is changing.

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Pflanzenbasiert war auch bei Michalyn Andrews von Provenance Bio ein Schwerpunkt. Ursprünglich aus der Modebranche kommend, setzt die Gründerin auf tierfreies, funktionales Kollagen. Kollagen kommt in enorm vielen Gebieten zum Einsatz. Andrews schätzt das Marktpotenzial bis 2030 weltweit auf 16 Milliarden US Dollar (4). Die Vorteile gegenüber herkömmlichen Kollagen aus Schlachtabfällen liegen in einer höheren Präzision und Funktionalität. Tierfrei ist kein Nice-to-have, sondern eine technische Notwendigkeit, wie die Gründerin sagt: «Wir glauben, die Zukunft ist tierfrei.»

Michalyn Andrews

Doch eigentlich war es die Vergangenheit auch schon. Der Grund, dass wir überhaupt Fleisch essen, sind Mikroorganismen, wie Cyrille Pauthenier von Abolis Biotechnologies mit einem Blick in die Vergangenheit beweist. Von den Affen abstammend, war der Verdauungstrakt nicht auf rohes Fleisch ausgelegt. Dieses konnte vor der Entdeckung des Feuers nur als Aas konsumiert werden, weil Bakterien das Gewebe vorgängig zersetzt haben. Heute wird mehr als 77 Prozent der Landwirtschaftsfläche für die Fleischproduktion verbraucht, die aber nur 18 Prozent des Kalorienverbrauchs liefert. Gemäss Pauthenier braucht es dringend ein günstiges Fleischersatzprodukt mit hohem Proteingehalt, das lecker und voller gesunder Nährstoffe ist. «Wir sollten erneut Mikroorganismen nutzen, um wieder Vegetarier zu werden. Es ist der einzige Weg nach vorne.»

Marcin Koziorowski und Cyrille Pauthenier

Bei Nachhaltigkeit geht es aber nicht nur um tierfrei. Marcin Koziorowski strebt mit EcoBean eine Kreislaufwirtschaft in der Kaffeeproduktion an. Denn Kaffee liegt nach Fleisch und Milch auf dem fünften Platz der meisten Treibhausgasemissionen. Um den Wert der Kaffeekette zu verdoppeln, gewinnt EcoBean aus Kaffeesatz Rohstoffe wie Proteine, Zellulose oder Fette, für Kosmetik, Pharma, Verpackung und weitere Industrien. «Aus einer Tonne Kaffeesatz gewinnen wir 9000 Euro Umsatz und reduzieren dabei drei Tonnen CO2», so Koziorowski.

Ganzheitlich als Teil der kulturellen DNA

Die koreanische Philosophie basiert auf dem Wunsch, in Harmonie mit dem Universum, der Natur und der Menschheit zu leben. EIne ganzheitliche Betrachtung und Verschmelzung von mehreren Aspekten des Lebens ist in dieser Kultur fest verankert. Das zeigt sich auch in der Sprache: Im Koreanischen gibt es beispielsweise keinen separaten Begriff für Medizin und Ernährung. Und sowieso sei die Trennung von Gesundheit, Ernährung und Beauty eher ein Ding der Moderne, erklärt Jieun Kiaer, Professorin für koreanische Sprache. Angefeuert durch koreanischen Dramaserien schwappt die Beliebtheit von K-Produkten auf Europa über und brachte diesen Lifestyle auch in westliche Kulturen, wo die Besinnung auf das Ganzheitlich eine Art Rückkehr zum Ursprung darstellt.

  1. The Global Wellness Insitute (05.11.2024).
  2. World Health Association; Weight Management Trends -US -2024, Mintel
  3. Weight Management -Germany -2024, Mintel
  4. Grand View Research
Ausblick

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