Ferdinand von Meyenn: «Functional Food könnte Krankheiten vorbeugen»

Im vierten Teil unserer Interviewreihe «Food-Trends unter dem Radar» äussert sich Ferdinand von Meyenn zum Ernährungssystem der Zukunft. Der Professor für Ernährung und Epigenetik an der ETH Zürich erklärt, warum biologische Vielfalt und Lebensmitteltechnik in Einklang gebracht werden müssen.
1 Juni, 2022 durch
Ferdinand von Meyenn: «Functional Food könnte Krankheiten vorbeugen»
GDI Gottlieb Duttweiler Institute
 

GDI: Über welche Lebensmittelinnovationen sprechen wir zu wenig?

Ferdinand von Meyenn: Nachhaltige Ernährung, insbesondere eine proteinreiche Ernährung, die tierische Produkte ersetzt, wird angesichts der wachsenden Weltbevölkerung und der steigenden Nachfrage nach Proteinen immer wichtiger. Ich hoffe, dass wir geeignete Wege finden werden, um den derzeitigen Trend zum erhöhten Fleischkonsum zu verlangsamen oder umzukehren und die Welt stattdessen mit alternativen Produkten zu ernähren.

Welche Lebensmittel, die heute noch unbekannt sind, werden in Zukunft auf unseren Tellern landen?

Eine Reihe interessanter natürlicher Stoffe – viele Bestandteile unserer Ernährung – haben sich als gesundheitsfördernd und funktionell erwiesen. Ich gehe davon aus, dass «funktionelle Lebensmittel» in den nächsten Jahren durch bessere Erkenntnisse und Studien an Bedeutung gewinnen und unsere künftige Ernährung prägen werden. Die Ernährung hat das Potenzial, eine unserer grundlegenden Möglichkeiten zu sein, Krankheiten vorzubeugen und die Gesundheit zu fördern.

Welche Entwicklungen, die um Sie herum stattfinden, ignorieren Sie absichtlich? Und warum?

In den letzten Jahren sind zahlreiche neue Ernährungsformen entstanden, meist kleine Variationen bestehender Konzepte. Die meisten von ihnen basieren zwar auf interessanten Ideen, aber ich habe das Gefühl, dass uns noch immer das molekulare Verständnis fehlt, wie die Ernährung unsere Gesundheit beeinflusst. Mein Interesse gilt diesen molekularen Mechanismen mit dem Ziel zu verstehen, wie die Ernährung und ihre molekularen Bestandteile die menschliche Physiologie beeinflussen.

Gibt es eine wichtige Ressource für das Ernährungssystem, die heute noch unterschätzt wird?

Ich bin ein starker Befürworter der biologischen Vielfalt und der ökologischen Lebensmittelproduktion. Dennoch sehe ich auch die Versprechen der Lebensmitteltechnik, insbesondere neue Funktionalitäten und gesundheitsfördernde Aspekte in natürliche Produkte zu implementieren. Vielleicht können wir Wege finden, um eine grosse Vielfalt zu erhalten und dennoch einige der Herausforderungen unserer Zukunft zu bewältigen.

Werden die Lebensmittelpreise steigen oder sinken, und warum?

Angesichts all der klimatischen und politischen Herausforderungen unserer Zeit erwarte ich, dass die Lebenshaltungskosten insgesamt steigen werden. Ich hoffe, dass nachhaltig und ökologisch erzeugte Lebensmittel erschwinglicher werden und dazu beitragen, die Welt zu ernähren. Gleichzeitig erwarte ich, dass die Menschen bereit sein werden, mehr für Luxusprodukte und qualitativ hochwertige Produkte zu bezahlen.

Welche Unternehmen/Startups/Köche sind die vielversprechendsten Newcomer oder Game Changer?

Gesundheit, Wohlbefinden und Nachhaltigkeit gewinnen in allen Bereichen unserer Kultur immer mehr an Bedeutung. Langfristige Veränderungen zur Verbesserung unserer Ernährung erfordern ein tieferes molekulares Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Ernährung und Physiologie. Ich bin überzeugt, dass sich aus diesem Verständnis neue Ernährungskonzepte ergeben werden, die unsere künftigen Entwicklungen bestimmen werden – eine Ernährung, die Gesundheit und Wohlbefinden erhält und gleichzeitig Krankheiten vorbeugt.


Ferdinand von Meyenn ist Referent an der 2. International Food Innovation Conference vom 15. Juni 2022.

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