Ein Käse- und Wurstland
Die Schweizer Esskultur ist geprägt von tierischen Produkten – Cervelas, Käsefondue, Raclette, Milchschoggi oder Zürcher Geschnetzeltes sind (noch) selten vegan. Herr und Frau Schweizer gönnen sich nämlich knapp 48 Kilogramm Fleisch und 23 Kilogramm Käse pro Jahr. So lecker die Schweizer traditionelle Küche auch ist, die heutigen Ernährungsgewohnheiten sind leider alles andere als nachhaltig. Würden wir uns gemäss der Planetary Health Diet ernähren, könnte jede Person maximal noch knapp 16 Kilogramm Fleisch und neun Kilogramm Käse pro Jahr essen, um sich gesund zu ernähren und dabei die Grenzen unseres Planeten nicht zu sprengen.
Food-Innovation trifft auf Essenstradition
Ernährungsgewohnheiten ändern sich nur langsam, wie eine GDI-Untersuchung zeigt. Doch Zeit ist angesichts des fortschreitenden Klimawandels ein knappes Gut. Damit wir unser Essverhalten nicht von heute auf morgen radikal verändern müssen (was ohnehin eine utopische Vorstellung wäre), arbeitet die Wissenschaft seit Jahren an der Herstellung von Alternativen. Milch ohne Kühe? Präzisionsfermentation heisst das Zauberwort. Käse aus Pflanzen? Cashew-Camembert schmeckt wie das tierische Original. Fleisch ohne Tiere? Zellkultivierung macht’s möglich.
Dank diesen Innovationen können wir weiterhin unsere Esskultur zelebrieren und traditionelle Gerichte geniessen – ohne die negativen Nebeneffekte der tierischen Landwirtschaft. So jedenfalls die Idee. Das meiste davon ist heute aber noch Zukunftsmusik: Kultiviertes Fleisch ist in der Schweiz als Nahrungsmittel nicht zugelassen. Und auch hinter der technischen Machbarkeit, der Skalierbarkeit sowie der Akzeptanz der Konsument:innen stehen noch viele Fragezeichen. Besonders im letzten Punkt steht den Unternehmen der zellulären Landwirtschaft viel Arbeit bevor. Eine GDI-Befragung hat gezeigt, dass nur 20 Prozent der Schweizer Bevölkerung Fleisch aus dem Labor überhaupt probieren möchten.
Frage: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie Laborfleisch in Zukunft probieren würden?
Kultur als Hilfe oder Hürde?
Die Schweiz ist ein innovatives Land. Schweizerinnen und Schweizer sind verantwortlich für weltverändernde Erfindungen wie den Klettverschluss, Cellophan oder die Kaffeekapsel. Und trotzdem sind wir skeptisch gegenüber neuen Produkten und warten lieber erst mal ab. Gerade wenn es um Nahrungsmittel geht, sind wir sehr zurückhaltend.
Liegt das an unserem Lifestyle, unseren Gewohnheiten und Vorlieben – kurz unserer Esskultur? Ist sie mehrheitlich eine Hürde oder kann sie allenfalls auch eine Hilfe sein bei der Transformation des Ernährungssystems? Und welche Rolle spielen dabei Industrie, Handel und Gastronomie?
Diese Fragen diskutieren Vordenker*innen, Branchen- und Ernährungs-Expert*innen am Mittwoch, 19. Juni 2024 an der International Food Innovation Conference am GDI in Rüschlikon.
Mehr zum Thema Laborfleisch gibt es in der SRF Einstein Folge «Lebensmittel aus dem Labor: Bioreaktor versus Landwirtschaft», in der auch GDI-Forscherin Christine Schäfer ihre Erkenntnisse zum Thema teilt.