Zelluläre Landwirtschaft: InvestorInnen im Goldrausch

Die Forschung zu Fisch, Fleisch und Milch aus dem Reagenzglas boomt. InvestorInnen erwarten grosse Gewinne und setzen enorme Summen ein, doch noch ist kein Produkt marktreif. Hier und an der 1st International Food Innovation Conference geben wir einen Überblick darüber, wie sich der CellAg-Markt entwickeln wird.
27 Mai, 2021 durch
Zelluläre Landwirtschaft: InvestorInnen im Goldrausch
GDI Gottlieb Duttweiler Institute
 

Die zelluläre Landwirtschaft, auf Englisch Cellular Agriculture oder kurz CellAg, kombiniert Biotechnologie, Tissue Engineering, Molekularbiologie und synthetische Biologie, um landwirtschaftliche Produkte aus Zellkulturen herzustellen. Der Grossteil der Industrie konzentriert sich auf tierische Produkte wie Fleisch, Fisch, Milch und Eier, die im Labor hergestellt werden, anstatt Nutztiere aufzuziehen und zu schlachten.

Die Branche steckt heute noch in den Kinderschuhen. Obwohl zahlreiche Startups auf der ganzen Welt seit mehreren Jahren an Proteinen aus dem Labor forschen, hat bisher noch keines der Produkte Marktreife erlangt.

Der Glaube der InvestorInnen an diese neue Methode der Nahrungsmittelproduktion ist jedoch ungebrochen. Jährlich werden Millionenbeträge in den neuen Markt gepumpt. Auffallend ist auch der sprunghafte Anstieg der investierten Beträge zwischen 2019 und 2020. Die Corona-Pandemie hat Schwachstellen im Wertschöpfungsnetzwerk der industriellen Fleischwirtschaft aufgedeckt. Medienberichte über Schliessungen und Unterbrechungen von Fleischverarbeitungsbetrieben häuften sich im zweiten Quartal 2020. Die Pandemie machte viele Schwachstellen des Systems und schlechte Produktionsbedingungen sichtbar. In der Folge sahen sich GeldgeberInnen nach Alternativen zu tierischem Fleisch um und investierten ihr Geld vermehrt in zellbasierte Proteine.

Wie gross der Markt für zellbasierte Proteine dereinst sein wird, ist heute schwer abzuschätzen. Denn obwohl die InvestorInnen bereits an Bord sind, scheinen Konsumentinnen und Konsumenten den neuen Produkten gegenüber noch etwas kritischer eingestellt zu sein.

Die Studie «Cultured Meat Market – A Global Market and Regional Analysis» geht davon aus, dass der Markt für Fleisch und Fisch aus Zellkulturen bis im Jahr 2030 auf knapp 95 Milliarden US-Dollar anwachsen wird. Bis 2026 soll eine Grösse von 28.6 Milliarden US-Dollar erreicht sein, was zwischen 2026 und 2030 eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von knapp 35 Prozent bedeuten würde.

Eine Studie der Boston Consulting Group und von der Investment-Firma Blue Horizon berücksichtigt in ihren Berechnungen sowohl pflanzliche als auch zellbasierte Proteine. Sie geht bis im Jahr 2035 von einer Marktgrösse von mindestens 290 Milliarden US-Dollar aus.

Die Firma Cell Guidance Systems in Cambridge (UK) gehen noch einen Schritt weiter und betrachten nicht nur Fleisch, sondern auch andere tierische Produkte wie Milch und Eier. Sie rechnen damit, dass der Markt bald 1.7 Billionen US-Dollar wert sein wird.

Noch hat zwar keines der CellAg-Produkte den Sprung in den Handel oder in die Gastronomie geschafft, und ob die KonsumentInnen schlussendlich, im wahrsten Sinne des Wortes, anbeissen, wird sich zeigen. Die GeldgeberInnen muss man jedenfalls definitiv nicht mehr von diesem neuen Markt überzeugen, die Investitionsschlacht ist schon in vollem Gange.

Food Innovation Conference

Farms, Labs and Beyond: Fixing a Broken Food System

– Die Konferenz findet online und auf Englisch statt –

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