Die Blockchain hat gegenüber heute üblichen Formen der digitalen Kommunikation einschneidende Vorteile:
Dass diese Vorteile für die Finanzindustrie besonders interessant sind, liegt auf der Hand. Doch auch in anderen Wirtschaftszweigen enstehen vielversprechende Businessmodelle und Start-Ups. Wir zeigen, welche Branchen als nächstes von der Blockchain-Revolution profitieren können.
Das Startup Chronicled bietet zum Beispiel an, Wein oder Luxusgüter mit Mikrochips zu versehen und diese in einer Blockchain anzeigen zu lassen. So kommt man in die Lieferkette eingeschleusten Fälschungen auf die Spur. Experten schätzen, dass es sich bei etwa 70% des in China importierten Weins um Fälschungen handelt. Wenn die Flaschen der Weinhändler mit Mikrochips versehen sind, können Fälscher ihre Ware unmöglich weiter verkaufen, ohne dass die Hersteller und Händler das bemerken.
Bloss weil alle Transaktionen in der Blockchain öffentlich nach den Regeln des Codes formal korrekt sind, müssen sie natürlich nicht automatisch legal sein. Die Firma Elliptic hat daraus ein neues Businessmodell entwickelt. Eine Software überprüft die Millionen von Transaktionen in der Bitcoin-Blockchain auf verdächtige Webseiten-Links. Die Identifikation illegaler Aktivitäten hilft Strafverfolgungsbehörden und Finanzinstituten.
Auch gegen die berüchtigten Distrubuted-Denial-of-Service-Attacken (DDoS), die ganze Webseiten lahmlegen können, existiert bereits ein Blockchain-Unternehmen: Nebulis. Die Firma entwickelt ein neuartiges Domain-Verzeichnis, das auf dem Protokoll der Ethereum-Blockchain und dem Interplanetary File System basiert. Im Gegensatz zu heutigen Formen der Domain-Name-Registrierung ist das Nebulis-Verzeichnis nicht durch grosse Firmen organisiert, sondern arbeitet dezentral. Dadurch werden Webseiten nicht auf verhältnismässig wenigen grossen Servern untergebracht, sondern auf den Computern der vielen Nutzer. Erfolgreiche DDoS-Angriffe auf Namensserver werden somit unwahrscheinlicher, da gleichzeitig hunderte von Rechnern künstlich überlastet werden müssten.
Eines der bekanntesten Unternehmen im Bereich Cyber Security ist Guardtime. Die in Tallinn beheimatete Software-Firma hat im Februar 2017 den Zuschlag der estnischen Regierung erhalten, um die «Cyber Range» der NATO auf den neusten Stand zu bringen. Als «Cyber Range» beschreibt die IT-Branche eine virtuelle Test-Umgebung, ähnlich einem militärischen Übungsplatz oder einem Schiessplatz. Dort werden Abwehr, Verteidigung und Taktiken trainiert sowie neue Infrastrukturen entwickelt, um die Sicherheit im Netz zu erhöhen. An der Blockchain Valley Conference des Gottlieb Duttweiler Instituts am 13. Juni 2017 spricht Martin Ruubel, Präsident von Guardtime und Stellvertretender Vorsitzender der Europäischen Organisation für Cybersecurity (ECSO).
Die Organisation Follow My Vote entwickelt eine Lösung für Online-Voting basierend auf der Blockchain. Mit ihrer Software will das US-amerikanische Unternehmen Wahlen sicherer, transparenter und effizienter machen.
Auch die Non-Profit-Organisation Democracy Earth Foundation arbeitet an einer Möglichkeit, Regierungen und Organisationen mittels Blockchain zu demokratisieren. Die App der Democracy Earth Foundation heisst Sovereign und vereinfacht basisdemokratische Abstimmungen im Digitalen. Die heute gängige Regierungs-Form einer repräsentativen Demokratie soll in eine direktdemokratische Lösung umgewandelt werden.
Wie weit die Ideen zur digitalen Organisation von Staaten und Regierungen mittlerweile reichen, zeigt das Projekt Freie Rebublik Liberland. Der nicht anerkannte Scheinstaat im Niemandsland zwischen Serbien und Kroatien will sich über die Blockchain organisieren und regieren. Es gäbe keine Steuern, keine repräsentative Regierung und so wenige Gesetze wie möglich.
Das Projekt Bitnation zielt in eine ähnliche Richtung, jedoch ohne geografische Anbindung. Die erste staatenlose und digitale Nation der Welt war Partner der E-Governance-Initiative von Estland. An der Blockchain Valley Conference wird die ehemalige Leiterin Informationstechnik am Estnischen Ministerium für Wirtschaft und Kommunikation, Aet Rahe, über ihre Arbeit an «e-Estonia» berichten.
Blockchain-Anwendungen im Gesundheitswesen machen erst dann wirklich Sinn, wenn Patientendaten elektronisch vorhanden sind. Der Schweiz stand ein erster grosser Schritt in Richtung Digitalisierung des Gesundheitswesens am 15. April 2017 bevor. Dann trat das Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier in Kraft. Innerhalb von maximal fünf Jahren sollen Gesundheitseinrichtungen wie Spitäler oder Pflegeheime gewährleisten, dass mit den digitalen Patientendossiers gearbeitet werden kann.
Sobald sich elektronische Patientendossiers etabliert haben, wird der Weg zu einem Blockchain-basierten Datenspeicherungssystem für das Gesunheitswesen deutlich kürzer. IBM hat in einem Report aus dem Jahr 2016 festgestellt, dass 16% von 200 weltweit befragten Führungskräften im Gesundheitswesen davon ausgehen, noch im Jahr 2017 eine kommerzielle Blockchain-Lösung in ihrem Unternehmen anbieten zu können.
In anderen Ländern ist das Blockchain-Gesundheitssystem also nicht mehr so weit weg wie in der Schweiz. Die sogenannte «Blockchain-Nation» Estland hat zum Beispiel schon letztes Jahr damit begonnen, Gesundheitsdaten ihrer Bürger in einer Blockchain zu speichern.
Auch die USA sind auf den Zug aufgesprungen: Zusammen mit IBM Watson Health will die U.S. Food and Drug Administration analysieren, wie die Blockchain-Technologie im Gesundheitswesen eingesetzt werden kann.
In Grossbritannien beobachtet man die aktuellen Entwicklungen ebenfalls, wie ein Interview mit Dr. Stewart Southey, Berater des britischen National Health Service, zeigt. Besonders interessiert sei er an MedRec, einem Forschungsprojekt aus dem Massachusetts Institute of Technology (MIT). Dieses speichert Gesundheitsdaten nicht in einem neuen System, sondern verbindet sich mit den heute existierenden Datenspeicher-Programmen der Spitäler und Verbände. Es ist deshalb nicht notwendig, grosse Informationsmengen in neue Programme einzuspeisen, um mit der Blockchain arbeiten zu können.
Die Transaktionen oder Veränderungen der Daten in der Blockchain müssen von sogenannten «Minern» verifiziert werden. In einer Bitcoin-basierten Blockchain würden sie für diese Leistung Bitcoins erhalten. Weil die MedRec-Version nicht mit digitalem Geld handelt, können die «Miner» für ihre Arbeit nicht mit digitalem Geld bezahlt werden. Sie erhalten als Gegenleistung grosse Mengen anonymisierter medizinischer Daten für wissenschaftliche Zwecke.
Etwas weniger anonym geht Healthcoin vor. Das Start-Up hat der Volkskrankheit Diabetes den Kampf angesagt und stellt ein Belohnungssystem vor, das auf der Blockchain basiert. Healthcoin vergütet gesundes Verhalten mit digitalen Punkten. Diese können eingesetzt werden, um Gesundheitskosten zu bezahlen oder Versicherungskosten zu senken.