Geschwindigkeit schlägt Grösse: Jim Hagemann Snabe über die Zukunft globaler Unternehmen

In einer schnelllebigen, globalen Wirtschaft bedeutet Fortschritt, sich ständig neu zu erfinden und anzupassen. Im exklusiven Vorab-Interview teilt Jim Hagemann Snabe, ein visionärer Leader hinter Giganten wie Siemens, Maersk und SAP, seine Einschätzungen zur Zukunft. Er erläutert, wie Unternehmen moderne Herausforderungen bewältigen, neue Wachstumschancen ergreifen und sich auf eine nachhaltige, zirkuläre Wirtschaft vorbereiten können. Im September spricht Snabe an der Internationalen Handelstagung am GDI.
30 Mai, 2024 durch
Geschwindigkeit schlägt Grösse: Jim Hagemann Snabe über die Zukunft globaler Unternehmen
GDI Gottlieb Duttweiler Institute
 

GDI: Herr Snabe, Sie führen oder führten einige starke und bedeutende globale Unternehmen – wie SAP, Siemens, Maersk oder die Deutsche Bank. Was sind die grössten Herausforderungen, denen sich globale Unternehmen heute stellen müssen?

Jim Hagemann Snabe: Die Fähigkeit, sich neu zu erfinden. Historisch gesehen hat Grösse einen Wettbewerbsvorteil geschaffen. In der heutigen Welt schlägt Geschwindigkeit die Grösse. Geschwindigkeit bedeutet, neue Möglichkeiten zu erkennen und zu skalieren, um das Unternehmen ständig neu zu erfinden und relevant zu bleiben.

Wir hören oft Begriffe wie «De-Risking» oder «Nearshoring». Uns wird gesagt, dass unsere Lieferketten widerstandsfähig sein müssen – nur für den Fall. Heisst das, dass die Welt zu einem weniger bequemen, weniger freundlichen Ort wird?

Ich hoffe nicht. Der globale Handel ermöglicht wirtschaftliche Chancen und Zusammenarbeit. Das De-Risking von Lieferketten bedeutet nicht weniger globalen Handel. Wenn wir es richtig machen, bedeutet es mehr globalen Handel, mit mehr beteiligten Ländern. Richtig umgesetzt könnte dies zu einer freundlicheren Welt führen.

Es scheint, als ob alle Hochwachstumsmärkte der Welt weit entfernt von unseren mitteleuropäischen Heimatbasen liegen. Wo sehen Sie Potenzial für Wachstum in Europa?

Es ist nur natürlich, dass das Wachstum jetzt in Regionen stattfindet, in denen viele Menschen in die Mittelschicht aufsteigen. Ich glaube jedoch, dass Mitteleuropa eine grosse Chance hat, Wachstumschancen in der Dekarbonisierung kritischer Wertschöpfungsketten zu finden. Wir haben die benötigten Technologien, wir brauchen mehr Geschwindigkeit und Skalierung.

Wie sich die Geopolitik verändert, sehen wir in den Nachrichten. Wie sich unser Unternehmen verändern muss, müssen wir selbst herausfinden. Haben Sie Tipps, wie man sich in unsicheren Zeiten anpassen kann?

Das geopolitische Umfeld ist sehr herausfordernd geworden und wird wahrscheinlich in den kommenden Jahren noch herausfordernder. Ich bin jedoch beeindruckt, wie schnell Unternehmen sich an die neue Situation anpassen können. Mein Rat ist, neue Geschäftsbeziehungen in mittelgrossen und kleinen Ländern zu entwickeln. Dies reduziert das Risiko und erhöht die Flexibilität. Es erhöht zwar die Komplexität der Geschäftstätigkeit, aber mit moderner Technologie ist es möglich.

Wenn Sie zur Internationalen Handelstagung in Rüschlikon kommen, wird Ihnen ein Publikum von Einzelhändlern zuhören. Sie haben gelernt, mit einem Lächeln zu verkaufen – ihren Kunden ein gutes Gefühl im Austausch für ihr Geld zu geben. Was müssen sie neu lernen, um zukunftsfähig zu sein?

Ich glaube, wir steuern auf eine Zukunft zu, in der Produkte nicht gekauft und verschwendet werden. Stattdessen werden wir mehr zirkuläre Wertschöpfungsketten sehen, in denen Produkte als Dienstleistung verkauft und Materialien wiederverwendet werden. Dies bietet Einzelhändlern eine neue Geschäftsmöglichkeit, langfristige Kundenbeziehungen aufzubauen und an zirkulären Wertschöpfungsketten teilzuhaben. In einer solchen Zukunft kaufen Kunden nicht nur mit einem Lächeln, sondern sie lächeln auch weiterhin.

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