In seinem Vortrag zur «Erlebnisökonomie» an der 74. Internationalen Handelstagung machte Avantgarde-Group-CEO Marc Schumacher deutlich, wie stark sich das Konsumverhalten verändert hat. Die Dauerkrise der letzten Jahre habe eine Phase der «Entwöhnung» eingeleitet. Konsument*innen hinterfragen laut Schumacher ihre Routinen und legen den Fokus vermehrt auf Wohlbefinden und Zeitersparnis.
Verkürzte Aufmerksamkeit
Diese Veränderung zeige sich auch in den Wünschen und Erwartungen der Kundschaft. «Unsere Konsumenten haben sich in den letzten drei Jahren stärker weiterentwickelt als in den 30 Jahren davor». Die Digitalisierung und die damit verbundene ständige Verfügbarkeit von Inhalten auf Plattformen wie TikTok führe zu einer dramatischen Verkürzung der Aufmerksamkeitsspanne – von 2,5 Minuten auf nur noch 45 Sekunden.
Einsamkeit und das Bedürfnis nach Gemeinschaft
Schumacher ging auch auf die «Einsamkeitsökonomie» ein. Viele junge Menschen litten unter zunehmender Isolation. So berichtete er, dass gestützt auf einen Bericht der CNN 61 % der jungen Erwachsenen ernsthafte Gefühle der Einsamkeit erleben. In Japan gebe es bereits den Service «Miete einen Freund» für 25 USD pro Stunde, um der Einsamkeit entgegenzuwirken. Viele Menschen verbringen immer mehr Zeit zuhause. Dies löse eine «Bequemlichkeitsmüdigkeit» aus, welche die Sehnsucht nach Gemeinschaft und besonderen Erlebnissen ausserhalb der eigenen vier Wände verstärke.
NOWismus und echte Gefühle
Das Bedürfnis nach Gemeinschaft spiegelt sich auch im Konsumverhalten: Laut einer Studie von Horizon Media bevorzugen 62 % der jungen Erwachsenen Produkte, die ihnen Zugang zu einer Gemeinschaft bieten. Es geht gemäss Schumacher nicht mehr nur um den Kauf von Dingen, sondern um das Gefühl, Teil von etwas Grösserem zu sein. «70 % der Menschen bevorzugen es, Geld für Erlebnisse statt für Dinge auszugeben», sagte Schumacher. Dieser sogenannte «NOWismus» – der Fokus auf den Moment und das Erleben – führe zu einer Entmaterialisierung des Status. Exklusive Erlebnisse, einzigartige Momente und die Zugehörigkeit zu einer Community stünden heute im Vordergrund. Als Beispiel nannte er Taylor Swifts «Eras Tour», die für ein globales Phänomen sorgte, das weit über die Musik hinausging.
Offline-Erlebnisse wie diese gewinnen an Bedeutung, denn sie bieten den Konsumenten etwas, das Online-Shopping nicht leisten kann: echte Emotionen. «Menschen sind gelangweilt», machte Schumacher klar. Er zitierte die Studie «The Age of Re-Enchantment» von Wunderman Thompson, laut der 75 % der Befragten sagten, sie «möchten etwas fühlen, um sich lebendig zu fühlen». Marken müssten daher Wege finden, intensive Emotionen zu vermitteln – und genau hier liege die Chance für den stationären Handel. Als aussergewöhnliches Erlebnis erwähnte Schumacher eine Gucci-Show, bei der 68 eineiige Zwillinge über den Laufsteg liefen. Dieser Moment fesselte das Publikum nicht nur durch seine visuelle Perfektion, sondern auch durch die eindrucksvolle Verbindung von Inszenierung und Emotion, die den multisensorischen Ansatz perfekt illustrierte.
Künstliche Verknappung als Strategie
Auch künstliche Verknappung kann Produkte begehrenswerter machen – wie etwa bei der limitierten Verfügbarkeit von Apple-Geräten. Der Avantgarde-Group-CEO prognostizierte, dass der Zugang zu Erlebnissen und Produkten in Zukunft gezielt limitiert werde, um Exklusivität zu schaffen und die Nachfrage zu steigern. Für Marken bedeute dies, sich intensiv mit der Schaffung einzigartiger Erlebnisse auseinanderzusetzen.