Die Entortung des Konsums

Der digitale oder stationäre Shop als Point of Sale im Zentrum des Konsums löst sich auf. Die erste Wahrnehmung eines Produkts oder eines Bedarfs – wo auch immer – wird umso wichtiger. Dies zeigt die GDI-Studie «Das Ende des Konsums».
2 May, 2019 by
Die Entortung des Konsums
GDI Gottlieb Duttweiler Institute

Der nachfolgende Text ist ein Auszug aus der neuen GDI-Studie «Das Ende des Konsums», die Ihnen auf unserer Webseite als Download zur Verfügung steht. Zum Download.

Die meisten Retail-Modelle – ob konventionelle stationäre Läden oder Online-Shops – gehen von einem traditionellen dreistufigen Modell aus. Der Kunde hat ein Bedürfnis, geht in einen Shop, um das Bedürfnis zu befriedigen, und dann konsumiert oder benutzt er das gekaufte Produkt: Ich brauche Schuhe, ich kaufe Schuhe, ich trage Schuhe. Dieses Modell spiegelt sich in der Sprache des Einzelhandels, in der das Einkaufen der zentrale Akt ist: Shopping-Trips, Shopping-Missionen, Warenkörbe, Einkaufslisten und Shopping-Destinationen. Der entscheidende Punkt in diesem Denk- und Geschäftsmodell ist der Point of Sale (POS).

Doch dieses einst klar definierte Zentrum löst sich gerade auf. Neue Technologien ermöglichen es, Kauf und Verkauf eines Produkts näher an die unmittelbare, erste Wahrnehmung zu koppeln. Und das macht die Wahrnehmung des Bedarfs/Wunsches und nicht mehr den (digitalen oder stationären) Shop zum zentralen Verkaufsort. Das Einkaufserlebnis am POS verliert an Bedeutung, weil es keine klar definierten Einkaufsorte mehr gibt. Der POS ist überall. Der Einzelhandel ist mit dieser Problematik nicht alleine. Digitalisierung und smarte Logistik entkoppeln sowohl den Konsum wie auch die Produktion von bestimmten Standorten – warum sollte das bei der Distribution anders sein? Allerdings ist diese Entwicklung für die traditionellen Einzelhandelsunternehmen besonders herausfordernd, da bei ihnen die Standorte eine herausragende ökonomische Rolle spielen.

Die nächsten Technologieschübe werden diese Standortlosigkeit noch weiter vorantreiben. Mit mobilen Bilderkennungsprogrammen wie zum Beispiel Google Lens kann man jeden beliebigen Artikel fotografieren – in einem Shop, Schaufenster, auf der Strasse oder in der Metro – und direkt beim günstigsten Anbieter bestellen. So wird das Verhalten aus der virtuellen Welt in die physische Welt übertragen: Man klickt und kauft, wenn es einem gefällt. Im Internet of Things wird man so einfach nach Dingen suchen können wie heute nach Information. Man muss nur noch kaufen, wenn man nichts in den Schränken und Kellern seiner Freunde findet; und was man kauft, kann auch ganz autonom den Weg zum Kunden finden – ob mit selbstfahrenden Lieferwagen, selbstfliegenden Drohnen oder selbstproduzierenden Waren aus dem 3D-Drucker. Diese Entwicklung könnte zum Beispiel dazu führen, dass wir in Zukunft kaum mehr mit Gepäck reisen und jeweils vor Ort alles mieten, was wir gerade brauchen – frische Kleider ebenso wie Sportausrüstungen.

GDI-Studie Nr. 46 / 2019

Sprachen: Deutsch, Englisch
Herausgeber: GDI Gottlieb Duttweiler Institute, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Format: PDF

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