Die Industrielle Revolution frisst ihre Kinder. Zumindest wenn wir den Propheten der neuen Maker-Bewegung Glauben schenken. Neue Technologien wie der 3-D-Drucker können das Ende der grossen Fabrik einläuten und die Produktion zurück in die Hände des Individuums legen. Nicht mehr Supply-Chain-Management oder Prozessautomatisierung bestimmen die Entwicklung, sondern Individual- und Eigenproduktion. Gleichzeitig erleben wir eine Rückbesinnung auf Handarbeit und lokale Wertschöpfung, den zunehmenden Wunsch von Konsumenten nach frischen, nachhaltigen Lebensmitteln von Produzenten aus der Region. Fortschritt durch Technik, Sehnsucht nach dem Ursprung, Begrenztheit von Ressourcen und Sicherheitsbedürfnisse gehen hier Hand in Hand.
Und gehen wohin? Nach Hause, könnte man etwas überspitzt sagen. Die Güterproduktion, die über Jahrtausende meist dort angesiedelt war, wo sich auch die Konsumenten befanden, verlagerte sich im 19. Jahrhundert zuerst dorthin, wo es die notwendigen Rohstoffe gab. Im 20. Jahrhundert zog der Industrie-Tross dorthin weiter, wo es die dafür notwendigen Arbeitskräfte gab. Bei einfachen Produkten waren das Standorte mit besonders günstigen Arbeitskräften: erst Südeuropa, dann Südasien, zurzeit vorwiegend China. Und bei komplexen Produkten mit hohem Innovationsanteil waren es Standorte mit besonders qualifizierten Arbeitskräften: Kalifornien, Deutschland, Schweiz. Und jetzt beginnt sich der Kreis wieder zu schliessen: «Production’s coming home».
Hier seien nur Beispiele aus zwei Branchen genannt, in denen das gerade passiert: Energie und Landwirtschaft. Die Strombranche befindet sich gerade in einem für ihre Verhältnisse rabiat schnellen Übergang von einem System, in dem grosse Kraftwerke für jeden theoretisch denkbaren Bedarf produzieren, zu einem System mit millionenfachen Produzenten und Konsumenten. Die Wende hin zu regenerativen Energiequellen löst einen Systemwandel aus, der völlig neue Produktions- und Unternehmensformen schaffen wird. So wie Changers. Das Produkt des im vergangenen Jahr angeschobenen Start-ups ist einfach: ein Tablet-PC-grosses Solarpanel, das den Strom produziert, und ein knuffig designtes Ladegerät, das ihn in Handy-Akkus und andere Elektrogeräte einspeist. Ein Energiewende-Gadget also, das jeden zum Stromproduzenten macht – und zusätzlich zum Teil eines globalen Kraftwerks. Denn alle Informationen über die produzierte Strommenge werden zentral gespeichert, der User kann ständig sich (und seinen Standort) mit allen anderen Changers-Prouzenten vergleichen. «Ein spielerischer Ansatz im Kampf gegen den Klimawandel», sagt Daniela Schiffer, eine der Changers-Gründerinnen.
Auf die Kommunikation in einer Gemeinschaft setzt auch Marco Clausen – allerdings nicht in einem weltweiten Netzwerk, sondern in einem Stadtteil. Die von ihm mitgegründeten «Prinzessinnengärten» sind eines der grössten Urban-Gardening-Projekte in Deutschland: ein Landwirtschaftsbetrieb mitten in der Berliner Innenstadt. Mit Pflanzkübeln auf Paletten, weil der Mietvertrag für das seit dem Zweiten Weltkrieg brachliegende Grundstück jederzeit gekündigt werden kann, und im multikulturellen Kreuzberg gleichermassen Biotop und Soziotop. «Man kann beim Gärtnern so viel von seinen Nachbarn lernen», sagt der Historiker Clausen, «und man lernt viel über sich selbst.» Ähnlich wie Michelle Obama, die ebenfalls 2009 einen Nutzgarten im Park des Weissen Hauses angelegt hat, will Clausen nicht nur einen Teil der eigenen Nahrung selbst produzieren, sondern auch dazu beitragen, der Entfremdung der Stadtmenschen von der Produktion entgegenzuwirken, und neues Verständnis für das ökologische und das soziale Umfeld zu wecken.
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