Wie Nachbarschaften in der Schweiz funktionieren

Ob man sich über die Höhe der gemeinsamen Hecke streitet, zusammen grilliert oder sich nur selten über den Weg läuft: Die Beziehungen zu den NachbarInnen haben unterschiedliche Ausprägungen. In einer Studie hat das GDI diese verschiedenen Nachbarschaftsbeziehungen in der Schweiz quantitativ und qualitativ untersucht.
9 November, 2022 durch
Wie Nachbarschaften in der Schweiz funktionieren
GDI Gottlieb Duttweiler Institute
 

Nachbarschaft ist wichtig, auch und gerade heute noch. Das war wohl selten so sichtbar wie in der Zeit der Coronapandemie. NachbarInnen haben sich gegenseitig geholfen, kleine Erledigungen übernommen. Das Gespräch von Balkon zu Balkon oder im Treppenhaus war manchmal der einzige Kontakt zur Aussenwelt. Seitdem rückt Nachbarschaft wieder mehr in den Blick.

Und jenseits der Pandemie – was bedeutet Nachbarschaft heute eigentlich? 83 Prozent der Schweizer Bevölkerung lebt in einer grösseren Stadt oder ihrem Umland. Im Gegensatz zum Dorf sind die EinwohnerInnen der Schweiz an ihrem Wohnort meist von Menschen umgeben, die sie kaum kennen. Wie viel Kontakt haben sie, wie gross ist das gegenseitige Vertrauen? Was erwarten die Menschen voneinander? Was ist gut, was könnte besser werden? Wie wünschen sie sich das Zusammenleben, den Alltag? Wie wichtig ist die Beziehung zu den NachbarInnen für Lebenszufriedenheit und Wohlbefinden? Und wie haben sich die Nachbarschaftsbeziehungen in der modernen Gesellschaft verändert, gerade durch die Pandemie?

Erste Schweizer Nachbarschaftsstudie
Das ist bisher erstaunlich wenig erforscht. In der ersten schweizerischen Nachbarschaftsstudie hat das GDI daher im Mai 2022 Nachbarschaften in einer repräsentativen quantitativen Befragung und einer qualitativen Studie empirisch untersucht. Dabei stand für uns nicht der räumliche Gesichtspunkt von Nachbarschaft im Vordergrund. Sondern die Art von Beziehungen, die NachbarInnen zueinander pflegen oder sich wünschen.

Ergebnis: Nachbarschaft in der Schweiz funktioniert bemerkenswert gut. Nachbarschaftsbeziehungen sind intakt und im Gleichgewicht. Das Verhältnis zwischen NachbarInnen ist zwar in der Mehrheit von Distanz geprägt, aber gleichzeitig besteht ein grosses, grundlegendes Vertrauen zueinander. Die meisten Befragten schätzen das distanzierte Verhältnis zu ihren NachbarInnen und möchten keine Verpflichtungen in der Nachbarschaft übernehmen. Doch wenn NachbarInnen Unterstützung benötigen, ist man selbstverständlich da, wie in der Pandemie. Dauerhaft geändert hat sich das Miteinander in der Nachbarschaft durch die Pandemie allerdings nicht. Vielleicht, weil die Mehrheit der NachbarInnen schon vorher zufrieden damit war, wie es ist. Warum etwas ändern? Die meisten leben seit mehr als zehn Jahren in ihrer aktuellen Nachbarschaft, das langjährige Miteinander schafft offenbar Vertrauen und Stabilität.

Das Nachbarschaftsnetz wird dabei vor allem getragen von kleinen Gesten und Freundlichkeiten. Ein Lächeln, ein kurzes Hallo, Türe aufhalten, Respekt, Rücksicht auf Schwächere, sorgfältiger Umgang mit gemeinsam genutzten Innen- und Aussenräumen. Freundliches Nebeneinander bestimmt den Ton, nicht aktives Miteinander.

Laden Sie die Studie jetzt kostenlos herunter (auf Deutsch, Französisch oder Italienisch).

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