Wie KI die Weltordnung von morgen beeinflussen wird

Künstliche Intelligenz wird eine entscheidende Rolle spielen bei der Neuordnung der Welt. Für die Technologieführerschaft braucht es Investitionen in die Forschung und in Unternehmen: ohne Forschung, keine Innovation und keine Unicorns. GDI-Researcher Davide Brunetti hat die weltweite KI-Führerschaft kartografiert.
4 Januar, 2024 durch
Wie KI die Weltordnung von morgen beeinflussen wird
GDI Gottlieb Duttweiler Institute
 

Der Politikwissenschaftler und renommierte Buchautor Ian Bremmer unterteilt die heutige Weltordnung in drei unterschiedliche Domänen: eine Sicherheitsordnung, eine Wirtschaftsordnung und eine digitale Ordnung. Die Sicherheitsordnung ist und bleibt voraussichtlich von einem einzelnen Staat dominiert – den USA. Die heutige Wirtschaftsordnung ist dagegen fragmentierter; die Grossmächte USA und China ringen um die Spitzenposition innerhalb dieser Ordnung. Andere Mächte, wie Europa oder Indien, können aufgrund ihrer Grösse ebenfalls mitreden. Im Kontrast zu den anderen beiden Ordnungen befindet sich die digitale Ordnung noch in ihrer frühen Anfangsphase. Doch die Entwicklungen in dieser Ordnung werden massgeblichen Einfluss haben auf den Werdegang der beiden anderen.

Künstliche Intelligenz (KI) hat zweifelsohne die grossen Tech-Innovationen der letzten Jahre möglich gemacht. OpenAI, das Unternehmen hinter dem weltweit genutzten KI-Chatbot ChatGPT, hat beispielsweise seit der Lancierung von ChatGPT ein Ertragswachstum von 550% erfahren. Trotz schrumpfendem Wirtschaftswachstum sind die Zahlen neuer KI-Start-ups im Jahr 2023 weiter angestiegen und haben in der letzten Hälfte des Jahres sogar die Mehrheit aller Y Combinator Start-ups ausgemacht (Y Combinator ist das grösste US-amerikanische Gründungszentrum für Start-ups.). KI-Anwendungen sind beliebt und Unternehmen konzentrieren derzeit viele Ressourcen auf die Entwicklung und den Einsatz und die Ausgestaltung solcher Anwendungen.

Die Landschaft der KI-Unternehmen wird überwiegend von den USA dominiert. Die dort ansässigen Tech-Giganten, die ohnehin schon über den Technologie-Sektor bestimmen, geniessen einen deutlichen Vorsprung bei der Adoption von KI-Anwendungen. Unter den 40 grössten Unternehmen nach Marktkapitalisierung, die mit KI-Technologien arbeiten oder diese ihren Kunden anbieten, kommen 70 Prozent aus den USA. Die restlichen 30 Prozent sind überwiegend gleichmässig auf Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Singapur, das Vereinigten Königreich, Israel oder China verteilt.


Ländervertretung in den Top 40 KI-Unternehmen


Weltkarte: Ländervertretung in den Top 40 KI-Unternehmen


Country representation in top 40 AI businesses


World map: country representation in top 40 AI businesses

Dagegen sieht die Forschungslandschaft deutlich diversifizierter aus. Von den 2000 relevantesten Studien zu KI aus der Web of Science Literaturdatenbank zwischen 1991-2023 wurden rund 20 Prozent der Studien von chinesischen AutorInnen verfasst (Daten aus einer bibliometrischen Analyse zur Web of Science Mediathek zu den 2000 relevantesten Studien zu KI (Artificial Intelligence) zwischen 1991 und 2023). US-Amerikanische Autoren nehmen hier den zweiten Platz ein mit rund 15 Prozent der Publikationen zu KI. Danach verläuft die Verteilung unter den Ländern ziemlich gleichmässig; Indien nimmt den dritten Platz ein mit knapp etwa sechs Prozent, dicht gefolgt von Russland, UK und Spanien, die jeweils über fünf Prozent oder vier Prozent der Publikationen vertreten.


Ländervertretung in der KI-Forschung


Weltkarte: Ländervertretung in der KI-Forschung


Country representation in AI research


World map: country representation in AI research

Chinas Position innerhalb der KI-Forschung war nicht immer schon dominant. Erst seit 2010 überholte China die USA in jährlicher Produktion wissenschaftlicher Studien zur KI und wurde damit selbst zur Spitzenreiterin – eine Position, die es bis 2023 standfest gehalten hat.


Jährliche Publikationen in KI

Yearly publications in AI research

Ökonomen wie Paul Romer haben starke Korrelationen feststellen können zwischen der Intensität der getätigten Forschung (und Entwicklung) innerhalb eines Landes und dem Wirtschaftswachstum des Landes. Analog dazu könnte die hohe Forschungsaktivität innerhalb des KI-Sektors eines Landes als passender Indikator für das Wachstum jenes Sektors geltend gemacht werden. Das bedeutet wiederum, dass eine langfristige KI-Technologieführerschaft nur mit genügend Investitionen in die KI-Forschung gewährleistet werden kann. 

Die hohe Forschungsaktivität zu KI in China wird voraussichtlich auch ein hohes Wachstum innerhalb des KI-Sektors mit sich bringen. Daten aus den aktuell erfolgreichsten KI-basierten Unicorns bestätigen dieses Bild. Die Abbildung unten zeigt beispielsweise die Ländervertretung der 126 erfolgreichsten KI-Unicorns im 2023 auf. Darin wird ersichtlich, dass chinesische Unternehmen mit rund 22 Prozent eine deutlich grössere Rolle bei den Unicorns einnehmen als bei der Ländervertretung der grössten KI-Unternehmen nach Marktkapitalisierung.


Ländervertretung in KI-Unicorns


Weltkarte: Ländervertretung in KI-Unicorns


Country representation in AI unicorns


World map: country representation in AI unicorns

Ian Bremmer nennt verschiedene mögliche Szenarien, wie sich die digitale Ordnung in Zukunft entwickeln wird. Eine davon scheint vor dem Hintergrund der oben dargestellten Daten besonders besorgniserregend: Die Tech-Unternehmen – im Besitz der Technologien – werden die digitale Landschaft massgeblich formen und auch die
politischen Agenden nationaler Regierungen bestimmen. Dies biete das Potenzial auf einen erneuten kalten Krieg, bei welchem sich der kulturelle Westen und Osten, angeführt von den beiden Grossmächten USA und China, entgegenstünden. So unschuldig diese Technologie erscheinen mag, umso perfider sind die Wege, wie sie uns manipulieren kann – und umso relevanter und brisanter wird die Frage, wer sie kontrolliert.

Nicht nur Länder, sondern jedes einzelne Unternehmen braucht heute eine KI-Strategie, um erfolgreich zu sein. Entscheider müssen verstehen, was technisch möglich wird, was wirtschaftlich tragbar und gesellschaftlich wünschbar ist. Am GDI-Trendtag erfahren Sie, welche Rolle Ihr Unternehmen in der digitalen Ordnung spielen kann und wie Sie diese Ordnung massgeblich mitgestalten können.

Über den Autor

Davide Brunetti

Praktikant Think Tank

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