Nicholas Christakis: «KI könnte die Zusammenarbeit erheblich einschränken»

Nicholas Christakis untersuchte soziale Netzwerke, lange bevor das Konzept durch soziale Medien bekannt wurde. Der renommierte Soziologe und Leiter des Human Nature Lab an der Yale University befasst sich mit der Frage, wie die Zusammensetzung von Gruppen menschliches Verhalten und die Gesundheit beeinflusst.
22 April, 2025 durch
Nicholas Christakis: «KI könnte die Zusammenarbeit erheblich einschränken»
GDI Gottlieb Duttweiler Institute

Freunde, Arbeitskolleginnen, Ehepartner, Nachbarinnen – wir alle sind Teil von sozialen Netzwerken. In einem kaum überschaubaren Netz sind wir durch unzählige Menschen in der nahen und fernen Umgebung verknüpft. In seiner interdisziplinären Forschung zeigt Nicholas Christakis auf, wie uns diese sozialen Netzwerke beeinflussen. Sie können gesundes oder ungesundes Verhalten fördern, unsere Gefühle beeinflussen oder innovative Ideen verbreiten. Denn innerhalb des Netzwerkes entsteht ein Austausch, etwa von Information oder zwischenmenschlichen Gefühlen, aber auch von Geld oder politischen Einstellungen. An der 75. Internationalen Handelstagung gibt Nicholas Christakis einen Einblick in seine Forschung und zeigt auf, wie soziale Netzwerke Kaufentscheide beeinflussen und was passiert, wenn künstliche Intelligenz mitmischt.

Mehr als die Summe seiner Teile

Um aufzuzeigen, wie wichtig die Art der Verbindungen innerhalb eines Netzwerkes sind, verwendet Christakis gerne Kohlenstoff als Metapher. Das chemische Element gibt es unter anderem in Form eines Diamanten oder Graphit. Im Gegensatz zum Edelstein, der äusserst hart und transparent ist, ist Graphit relativ weich und schwarz. Je nach Anordnung der Kohlenstoffatome sind die Charaktereigenschaften des Materials sehr unterschiedlich. Mit diesem Vergleich verdeutlicht Christakis, dass die Eigenschaften eines sozialen Netzwerks eher von der Art und Weise, wie die einzelnen Personen miteinander verbunden sind, abhängen, als von den Charakteristiken der einzelnen Individuen: «Die Art der zwischenmenschlichen Beziehungen machen das Ganze grösser als die Summe seiner Teile.»

Was uns gesellig macht

Gemäss Christakis verfügen Menschen über entscheidende Fähigkeiten, die für das Funktionieren einer Gesellschaft notwendig sind. Dazu gehören etwa Liebe, Freundschaft oder Kooperation. Diese sogenannte «social Suite» ist genetisch bedingt und hat sich über Hunderttausende von Jahren entwickelt. Unabhängig davon, ob eine Gesellschaft eher in der Stadt oder auf dem Land lebt oder wie hoch der Technologisierungsgrad ist, sind die Merkmale weltweit bemerkenswert konsistent. 

KI und menschliche Interaktion

In einer Reihe von Experimenten untersucht Christakis, wie sich zwischenmenschliche Beziehungen und Interaktionen bei der Anwesenheit von künstlicher Intelligenz verändern. Dafür nutzten er und sein Team technisch eher einfache KI-Agenten. Diverse Studien haben gezeigt, dass KI-Agenten die Qualität der menschlichen Interaktion erhöhen können. In gewissen Fällen funktionierte die künstliche Intelligenz wie eine Art Katalysator, damit die Menschen Problemstellungen schneller und effizienter lösten. Andere Studien zeigten allerdings, dass in Anwesenheit von KI-Agenten die Kooperation drastisch zurückging. «Die Tatsache, dass KI unsere Fähigkeit zur Zusammenarbeit erheblich einschränken könnte, ist äusserst beunruhigend», so Christakis. Dennoch ist er der Ansicht, dass menschliche Gruppen von künstlicher Intelligenz eher profitieren.

An der 75. Handelstagung vom 10. und 11. September am Gottlieb Duttweiler Institut spricht Nicholas Christakis über soziale Netzwerke und wie das Umfeld unser Verhalten und unsere Entscheide beeinflusst. Melden Sie sich an, erleben Nicholas Christakis und weitere international renommierte Referierende am GDI und nutzen Sie die Gelegenheit, Ihr eigenes Netzwerk zu veredeln. Denn wie beim Diamanten zählt nicht nur, wer verbunden ist, sondern wie.

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