Am 8. Februar 2023 verlor die Aktie des Google-Mutterkonzerns Alphabet etwa 100 Milliarden US-Dollar an Wert. Denn bei der ersten Präsentation des Google-KI-Chatbots «Bard» unterlief diesem ein Fehler – er ordnete das erste Foto von einem Planeten ausserhalb des Sonnensystems dem falschen Teleskop zu. Der Aktienkurs hat sich längst wieder erholt, sogar mehr als verdoppelt – unter anderem weil es sich nicht um ein Google-spezifisches Problem handelt; solche zum Teil haarsträubenden Fehler treten bei allen Large Language Models (LLMs) auf: «LLMs neigen zu Halluzinationen», sagt Carl Benedikt Frey, Professor für AI&Work an der Universität Oxford, «sie erfinden manchmal Inhalte, oder sogar Quellen».
Das wiederum, so Frey, dürfte die Einsatzmöglichkeiten für KI an Wissensarbeitsplätzen drastisch reduzieren. Wenn den Künstlichen Intelligenzen die Fehler nicht auszutreiben sind, werden sie nur dort eingesetzt werden können, «wo man sich Fehler leisten kann». Einen falschen Text kann man wieder löschen – eine falsche Entscheidung bei einem selbstfahrenden Auto hingegen nicht mehr rückgängig machen.
Am 21. Europäischen Trendtag des GDI vom 12. März 2025 wird Frey über die Auswirkungen von Automatisierung und Generative AI auf den Arbeitsmarkt sprechen. Von einem Durchmarsch der KI geht er dabei nicht aus: «KI wie wir sie heute kennen, wird eher in fehlertoleranten Bereichen wie Kundenservice oder Lager zum Einsatz kommen. Für den grossflächigen Einsatz in der physischen Welt würde eine robustere, vertrauenswürdigere KI benötigt.»
Carl Benedikt Frey
Professor für Künstliche Intelligenz und Arbeit
Oxford University
Grossbritannien
Website
Vorteile für Superstars und Neulinge
Weit grösser sind die Einsatzmöglichkeiten in der digitalen Welt – denn fast jede Arbeit, die online erledigt werden kann, könne im Prinzip auch von einer KI erledigt werden. Eine wichtige Ausnahme hierbei sei die Kreation von völlig neuen Werken: «Generative AI ist gut darin, vorhandene Musik oder Texte zu mixen und zu rekombinieren. Nun wissen wir zwar nicht, wie Marcel Duchamp auf die Idee kam, aus einem Porzellan-Urinal das Ready-Made Fountain zu machen, aber bestimmt nicht durch die Analyse eines Datensets aus impressionistischen Gemälden.»
Variationen, Sequels, Iterationen des Bestehenden könne KI durchaus – aber nicht das Neue, ohne jegliches Vorbild. Das können allerdings auch nur wenige der menschlichen Kreativen. Insofern könnten die Stars der Kreativ-Branchen zu nicht ersetzbaren Superstars werden, während das Mittelfeld unter KI-Druck gerate.
Auch aus einer anderen Richtung drohe dem Mittelfeld Gefahr – von unten. Carl Benedikt Frey erklärt das am Beispiel der Text-KI ChatGPT: «Die Produktivität von Autoren mit geringeren Fähigkeiten wurde durch ChatGPT besonders gesteigert. Die KI ersetzt also nicht die heutigen Journalisten, erleichtert es aber Neueinsteigern, mit ihnen mitzuhalten, wodurch sich der Wettbewerb verstärkt.»
Das kann Druck auf die Löhne ausüben. Frey sieht hier eine Parallele zur Situation in der Taxibranche durch das Aufkommen von Uber: Eine Studie seines Oxford Internet Institute und der Lund University fand heraus, dass nach der Ankunft von Uber in einer Stadt dort die Taxi-Stundenlöhne um etwa zehn Prozent sanken. Die Qualität der Dienstleistung habe hingegen nicht gelitten, da durch die GPS-Technologie auch weniger erfahrene Fahrer problemlos zum jeweiligen Ziel geleitet wurden. Eine ähnliche Entwicklung sei auch beim Schreiben mit Hilfe von ChatGPT möglich: «Werden LLMs so etwas wie ein GPS für Sprache?»
Seien Sie dabei, wenn Carl Benedikt Frey am 21. Europäischen Trendtag aufzeigt, wie Generative AI Gewinner und Verlierer auf dem Arbeitsmarkt neu definiert und welche Chancen und Risiken sich daraus ergeben.