Die Metropolen der Aufmerksamkeit

Eine Metropole ist dann wichtig, wenn sie im Gespräch ist. Doch gibt es keine verlässlichen Kennzahlen für den Anteil einzelner Städte an der globalen Konversation. Das GDI hat mit dem Global City Ranking einen ersten Versuch gestartet und fragt, wie eine Stadt im digitalen Gespräch bleibt.
9 Oktober, 2017 durch
Die Metropolen der Aufmerksamkeit
GDI Gottlieb Duttweiler Institute
 

Trubel ist Trumpf – zumindest für Metropolen. Wer im Wettstreit um die «Creative Class», um die klügsten Köpfe, vorne mit dabei sein will, muss ihnen auch etwas bieten können. Dabei spielen harte Standortfaktoren (wie Infrastruktur, Verkehrslage) eine ebenso wichtige Rolle wie weiche Faktoren (wie Kultur, Szene, Image). Aber alles hilft nichts ohne Aufmerksamkeit: Eine Stadt muss gehört und gesehen werden, geliebt oder gehasst, heiss ersehnt oder schwer umstritten – aber vor allem, sie muss im Gespräch sein.

Klappern alleine reicht da nicht aus. In weit stärkerem Ausmass als bei den meisten Konsumgütermarken wird der Wert einer Städtemarke von dem bestimmt, was ihre Nutzer damit veranstalten. Um neue Kunden, also neue Bewohner, anzuziehen, waren bei Metropolen schon immer die persönliche Empfehlung und der direkte Kontakt wichtiger als die Werbebotschaft. Wie beim gerade aktuellen Influencer-Marketing kommt es vor allem darauf an, was die Menschen über die Marke erzählen, nicht was die Marke selbst erzählt.

Anders als bei Konsumgüter-Brands ist aber bei Städte-Brands der Erfolg allenfalls indirekt messbar – allgemeine, verlässliche Kennzahlen gibt es nicht. Mit der Analyse von Gesprächen in der Twitter-, Web- und Wikipedia-Sphäre haben wir erstmals ein Ranking ermittelt, das die Vernetzung der Städte in der digitalen Welt aufdeckt. Aber wie kommen die Metropolen zu diesen Ranking-Plätzen? Was macht sie erfolgreich?

Besonders gut beantworten lassen sich diese Fragen, wenn wir uns das Web-Ranking genauer ansehen. In der unten stehenden Tabelle aufgelistet sind jene Webseiten, die für die guten Ranking-Plätze der Städte verantwortlich sind. Dabei gilt: Je besser eine Webseite mit anderen Webseiten verbunden ist, desto wichtiger ist sie und desto wichtiger wird dadurch die Stadt, über die auf der Webseite etwas geschrieben steht.

 

Nebst den üblichen Verdächtigen – den grossen Nachrichtenportalen – sind auffällig viele Tourismus-, Unterhaltungs- und Sportwebseiten in der Liste vertreten. Je renommierter die Sportvereine einer Stadt, je beliebter sie bei Touristen ist und je erfolgreicher ihre Gross-Events, desto mehr wird über die Stadt gesprochen und desto wichtiger wird sie im Web.

Der Trend zur Eventisierung der Stadt könnte deutlicher nicht sein: Besucher kommen nicht (mehr) nur, um Sehenswürdigkeiten zu bestaunen und diese Erinnerungen in Fotoalben zu verwahren. Touristen haben heute unbegrenzten Internet-Zugang und lassen ihre Follower an den eigenen Reiseplänen und den anschliessenden Erfahrungen teilhaben: Jede Reise wird so zu einer Vielzahl von Mini-Events, die im Netz geplant, erlebt und geteilt werden.

Ein beliebtes Medium, um solche Erlebnisse zu teilen, ist Instagram. Ein Blick auf die Zahl der bei Instagram hochgeladenen Fotos mit dem Hashtag der jeweiligen Stadt zeigt den Coolness-Faktor einer Stadt an. Die globalen Top 10 in dieser Wertung sind die Städte:

 

Nicht nur das Kommunikationsverhalten auf Reisen hat sich geändert – auch die Gründe für einen Städte-Trip sind vielfältiger geworden. Sightseeing-Touren gehören zu einer möglichen Beschäftigung unter vielen: in München gemeinsam Bier trinken, in New York City Silvester feiern oder in Kuala Lumpur einen Marathon laufen – und diese Erlebnisse im Netz teilen.

Der Wettbewerbs-Gedanke spielt nicht nur bei einzelnen Städte-Besuchern eine wichtige Rolle, sondern auch in unserem Wikipedia-Ranking: Eine Stadt ist in der Wikipedia-Sphäre dann zentral, wenn sie in vielen Rankings auftaucht – sei es zur Grösse der Bevölkerung, zum jährlichen Bruttoinlandsprodukt oder zur Anzahl Flughäfen.

Ebenfalls hinzuziehen könnte man die Zahl der unterschiedlichen Sprachversionen einer Wikipedia-Seite pro Stadt. Sie deutet auf die internationale Bedeutung einer Metropole hin, da sämtliche Wikipedia-Einträge bestimmten Relevanz-Kriterien unterliegen. Eine Stadt mit weltweit 220 Sprachversionen (wie Madrid) ist deutlich wichtiger als eine mit 120 Sprachversionen (wie Johannesburg).

Die Top 10 der Liste:

 

Und weshalb erhält eine Stadt auf Twitter Aufmerksamkeit? Unsere Untersuchung legt nahe, dass auch hier Ereignisse einen enormen Einfluss auf die Ranking-Platzierungen haben – seien es Naturkatastrophen, Fussballspiele zwischen Paris Saint-Germain, FC Barcelona, FC Liverpool und Real Madrid oder politische Erschütterungen wie der Brexit-Entscheid. Je wichtiger ein solches Ereignis für die Twitter-Community ist, desto zentraler sind die Städte, um die sich das Ereignis dreht.

Das Messen blosser Follower-Zahlen reicht nicht aus, um zu zeigen, wie viel Aufmerksamkeit eine Stadt im Netz besitzt. Erst wenn Follower selbst aktiv werden und Nachrichten (re-)tweeten, wird offensichtlich, dass die Stadt im Gespräch ist.

Kommuniziert wird nur, was Aufmerksamkeit auf sich ziehen kann – gleichgültig, ob es sich um Ereignisse wie Naturkatastrophen, die Erbauung neuer Wolkenkratzer, Musik-Festivals oder den Spielertransfer des Jahres handelt. Hauptsache, die Events ziehen Aufmerksamkeit auf sich.

Was also braucht es, damit eine Stadt an die Spitze unseres Global City Rankings gelangt? Städte sind dann erfolgreich, wenn Nachrichten-, Reise- und Sportportale über sie schreiben. Das machen sie dann, wenn die Städte aufgrund von organisierten Events oder unvorhergesehenen Ereignissen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. So funktioniert auch Twitter: Je mehr Menschen das Bedürfnis haben, über ein Städte-Ereignis zu sprechen, desto wichtiger ist die Stadt. Was zudem eine gute Platzierung fördert: Beteiligungen an Rankings, die in Wikipedia auftauchen. Vergleiche zeigen schliesslich, wer dazu gehört und wer nicht.

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