Der Arbeitsmarkt wird zum Arbeitnehmermarkt

Die Schweiz ist bereits seit mehreren Jahren von einem zunehmenden Arbeitskräftemangel betroffen. Im Vordergrund stehen dabei nicht konjunkturell bedingte Schwankungen, sondern strukturelle Ungleichgewichte. Eine GDI-Studie identifiziert verschiedene Stellschrauben, die den Fachkräftemangel beheben können.
1 September, 2023 durch
Der Arbeitsmarkt wird zum Arbeitnehmermarkt
GDI Gottlieb Duttweiler Institute

Der nachfolgende Text basiert auf einem Auszug aus der GDI-Studie «Strategien im Umgang mit dem Arbeitskräftemangel – eine Übersicht», die über unsere Website bezogen werden kann.

Der Arbeitskräftemangel macht den Arbeitsmarkt zu einem Arbeitnehmermarkt. Immer mehr Arbeitnehmende können sich aussuchen, für wen sie arbeiten wollen. Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen sind also unter Zugzwang, Anstellungsbedingungen möglichst attraktiv zu gestalten, ob über den Lohn (Markt), flexible Arbeitsbedingungen (Organisation) oder die Sinnhaftigkeit der Tätigkeit (Kultur).

Eine hohe Arbeitsplatzattraktivität ist unabdingbar, um als Arbeitgeber Stellen zu besetzen. Dennoch ist klar, dass auf einer gesamtwirtschaftlichen Ebene die Steigerung der Arbeitsplatzattraktivität den Arbeitskräftemangel kaum mindern wird. Wenn Teilaspekte der Arbeit, ob flexible Arbeitszeit oder Sinnhaftigkeit der Arbeit, nicht einzigartig sind, ist kaum davon auszugehen, dass sie viele neue Menschen in den Arbeitsmarkt bringen. Vielmehr sind es hauptsächlich relative Vorteile, die ein Unternehmen gegenüber den Konkurrenten hat, die aber in dem Moment verloren gehen, in dem die Konkurrenz nachzieht. Dennoch ist die Erfüllung der Wünsche der Arbeitnehmenden in einem Arbeitnehmermarkt unabdingbar – sie ist auf Unternehmensebene notwendig, gesamtwirtschaftlich gesehen aber nicht ausreichend.

Steigerung der Arbeitgeberattraktivität druch finanzielle Anreize

​Die ökonomische Antwort auf die Knappheit eines Gutes ist die Erhöhung des Preises. Die Steigerung des Lohnes ist darum die naheliegendste Massnahme gegen den Arbeitskräftemangel. Wie viele neue Arbeitskräfte dies in den Markt bringen würde, ist ungewiss. Es würde aber zu einer ‹Bereinigung› des Marktes kommen. Unternehmen, welche höhere Löhne nicht bezahlen können, geraten ins Hintertreffen, denn die Arbeitskräfte würden in Unternehmen wechseln, in denen ihre Arbeitskraft produktiver eingesetzt wird – so zumindest die ökonomische Theorie.

Im Jahr 2021 sank der kaufkraftbereinigte Lohn laut dem Bundesamt für Statistik gegenüber 2020 jedoch um 0.8%. Im Jahr 2022 betrug der Lohnrückgang, aufgrund der hohen Teuerung, fast 2% – trotz Arbeitskräftemangel. Im US-amerikanischen Arbeitsmarkt ist jedoch bereits zu beobachten, dass insbesondere die untersten Einkommensklassen einen Lohnzuwachs verzeichnen. Die Lohnschere scheint sich in den USA seit der Pandemie sogar leicht zu schliessen. Der Grund dafür ist, dass Arbeitnehmende mit geringen Einkommen seit der Pandemie vermehrt ihre Jobs wegen schlechter Bezahlung kündigen. In der Schweiz ist der Arbeitsmarkt weniger dynamisch. Mittelfristig ist es aber wahrscheinlich, dass sich auch hier die Arbeitnehmenden und damit auch die Löhne in Bewegung setzen und Arbeitgeber in Zugzwang bringen werden. Die Voraussetzungen dafür sind gegeben, da nur etwa 50% der Befragten der Angestellten-Umfrage mit ihrem Lohn zufrieden sind.


Lohn ist allerdings viel mehr als nur das monatlich auf das Konto überwiesene Geld. Er beinhaltet Zusatzleistungen (z. B. GAs, Smartphone- oder Fitness-Abos), Sozialleistungen, aber auch die Arbeitszeit. Arbeitgeber stehen vor der Entscheidung, ob sie Angestellten eher ein Smartphone-Abo bezahlen oder doch einen etwas höheren Monatslohn überweisen sollen. Der gleiche Franken kann, je nach individuellen Bedürfnissen, an einem Ort investiert (z. B. Sozialleistungen) Mitarbeitende stärker anziehen und binden als an einem anderen (z. B. Zusatzleistungen).

In der Studie «Strategien im Umgang mit dem Arbeitskräftemangel – eine Übersicht», die das Gottlieb Duttweiler Institut im Auftrag der Migros-Gruppe verfasst hat, werden einige dieser Anstellungsbedingungen diskutiert und es wird anhand der Angestellten-Umfrage bewertet, inwiefern der Schweizer Arbeitsmarkt diese Bedingungen zur Zufriedenheit der Angestellten erfüllt.

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