Wie KI unsere sozialen Beziehungen verändert – eine GDI-Metaanalyse

Künstliche Intelligenz ist angekommen. Neben den zahlreichen Anwendungen, für die sich KI als nützlich erweist – wie die Automatisierung lästiger Aufgaben und die Analyse von komplexen Problemen – übernimmt sie immer öfter auch soziale Funktionen: sie unterstützt uns als Assistentin, Expertin, Moderatorin, Freundin und sogar Erzieherin. Doch wie wirken sich die Interaktionen mit KI auf das Zusammenleben aus? Eine pauschale Antwort darauf gibt es nicht, erste Ergebnisse aus der Forschung zeigen gemischte Resultate, das zeigt eine Metaanalyse des GDI.
9 Februar, 2024 durch
Wie KI unsere sozialen Beziehungen verändert – eine GDI-Metaanalyse
GDI Gottlieb Duttweiler Institute

GDI-Forscher Davide Brunetti fasst in einem Überblick die Ergebnisse ausgewählter Studien zusammen, die die sozialen Auswirkungen von KI erforschen. Unter «sozialen Auswirkungen» versteht man hier alle Arten von Effekten, die KI auf unser Verhalten und unsere Interaktionen in Gruppen oder der Gesellschaft hat. Diese Effekte können oft unbeabsichtigt als «Nebenwirkungen» auftreten.

Die Studien zeigen, wie KI das Zusammenleben und soziale Normen verändert und untersuchen folgende Fragen:

Wie verändert sich das soziale Verhalten, wenn wir Entscheide an eine KI delegieren? Welche Arten von Beziehungen können wir mit einer KI entwickeln? Wie wird KI in Zukunft unser Selbstbild und unsere Identität bestimmen?

Die Ergebnisse der Studien basieren auf Experimenten und Umfragen.

KI als Moderatorin

  • Kooperation in menschlichen Gruppen verbessert sich signifikant durch Eingriffe von (KI-)Bots, die soziale Verbindungen gezielt anpassen.
  • Strategisch eingesetzte Bots, die weniger kooperative Netzwerkmitglieder distanzieren, stärken das kooperative Verhalten im Gesamtnetzwerk.
  • Die Studie untermauert das Potenzial von KI-gesteuerten Interventionen zur Förderung kooperativer Dynamiken in sozialen Netzwerken.

Soziale Auswirkungen: positiv (prosozial)

KI als Steward / Assistentin

  • Autonome Sicherheitssysteme in Fahrzeugen können die etablierten Reziprozitätsnormen zwischen Menschen beeinträchtigen.
  • Autonome Bremssysteme fördern kooperatives Verhalten wie Ausweichen, beeinflussen aber die Reziprozität (Rücksichtnahme) nicht.
  • Automatische Lenksysteme verringern sowohl Kooperation als auch Reziprozität, da sie Entscheidungen für die Fahrer treffen.
  • Fahrassistenztechnologien können die Sicherheit erhöhen, aber möglicherweise soziale Normen im Strassenverkehr beeinträchtigen.

Soziale Auswirkungen: negativ (antisozial)

KI als (soziale) Katalysatorin

  • Koordinationsprobleme in Gruppen können durch ein gewisses Mass an Zufälligkeit verbessert werden.
  • (KI-)Bots mit geringem Grad an Verhaltenszufälligkeit, zentral im Netzwerk platziert, beschleunigen die Problemlösung um ca. 56%.
  • Diese Verbesserung ist besonders deutlich bei komplexen Koordinationsaufgaben.
  • Die Zufälligkeit im Verhalten der Bots beeinflusst nicht nur direkt verbundene Menschen, sondern auch die Interaktionen im gesamten Netzwerk und trägt so zu einer verbesserten globalen Koordination bei.

Soziale Auswirkungen: positiv (prosozial)

KI als Beraterin

  • KI wird zunehmend als Berater im täglichen Leben genutzt, was Bedenken hinsichtlich der Beeinflussung ethischer Entscheidungen aufwirft.
  • Ein grossangelegtes Verhaltensexperiment untersucht, ob KI-generierte Ratschläge Menschen korrumpieren können. Dabei werden anhand eines GPT-2-Algorithmus (Vorläufer von ChatGPT) Ratschläge generiert, die Ehrlichkeit oder Unehrlichkeit fördern.
  • Ergebnisse zeigen, dass KI-generierte Ratschläge Menschen korrumpieren, selbst wenn die Quelle des Ratschlags bekannt ist; die Korruptionskraft der KI ist ebenso stark wie die von Menschen.

Soziale Auswirkungen: negativ (antisozial)

KI als Freundin

  • Die Studie zeigt die Entwicklung von Beziehungen zwischen Menschen und dem KI-Chatbot Replika von anfänglicher Neugier hin zu tiefen emotionalen Verbindungen.
  • Nutzer erfahren durch die Interaktion mit Replika eine Steigerung ihres Wohlbefindens und empfinden die Gespräche als sinnvoll und unterstützend.
  • Die Ergebnisse betonen das Potenzial von KI, eine emotional unterstützende Rolle in der psychischen Gesundheit und persönlichen Unterstützung zu spielen.

Soziale Auswirkungen: positiv (prosozial)

KI als Konkurrentin / Ersetzerin

  • Die Studie analysiert, wie die Identifikation mit sozialen Rollenbildern die Präferenzen für automatisierte Produkte beeinflusst.
  • Automatisierung bietet offensichtliche Konsumvorteile, doch diese kann bei identitätsgetriebenem Konsum unerwünscht kann; Menschen neigen dazu, sich gegen Automatisierung zu wehren, wenn sie ihre persönlichen Fähigkeiten überdeckt.
  • Die Ergebnisse haben bedeutende theoretische Implikationen für die technologische Formung unserer Identität. Entsprechend relevant ist diese Diskussion im Business-Kontext mit Bezug auf Zielgruppenansprache, Produktinnovation und Kommunikation.

Soziale Auswirkungen: ambivalent

KI als Erzieherin

  • Menschen ändern ihr Verhalten und ihre Entscheidungen oft, um sich an andere anzupassen, selbst bei offensichtlich falschen Tatsachen. 
  • Mit der Entwicklung von KI und Robotik nehmen Roboter zunehmend eine neue soziale Präsenz in menschlichen Umgebungen ein.
  • Die Studie zeigt, dass besonders Kinder sich den Robotern anpassen, was sowohl Chancen als auch Bedenken für den Einsatz sozialer Roboter bei jungen und verletzlichen Gesellschaftsgruppen aufwirft.

Soziale Auswirkungen: negativ (antisozial)

KI wird in den nächsten Jahren verstärkt Einzug halten in Unternehmen und immer mehr Funktionen übernehmen können. Aus ökonomischer Sicht sind die Vorteile von KI ziemlich offensichtlich: Effizienzsteigerung durch Automatisierung und Assistenz auf Expertenniveau (man denke für letzteres an ChatGPT). Und auch aus der sozialen Perspektive kann Künstliche Intelligenz das Wohlbefinden steigern und eine emotional unterstützende Rolle einnehmen. Die sozialen Nebenwirkungen der KIs sind jedoch nicht ausschliesslich vorteilhaft und können sogar potenziell schädliche Folgen mit sich bringen. Die Forschung zeigt, dass die negativen Nebenwirkungen von KI Mitarbeitende und Kunden demotivieren können und dies sich letztlich auch schädlich auf den Erfolg von Unternehmen auswirken kann.

Wenn Sie mehr zu den sozialen Nebenwirkungen – positiv und negativ – von KI erfahren möchten, dann besuchen Sie uns am 20. Europäischen Trendtag, am 13. März 2024. Dort werden uns Petter Brandtzaeg, Nils Köbis und Stefano Puntoni weitere faszinierende Einblicke in ihre Forschung gewähren und Sie darüber informieren, wie Sie sich optimal auf die bevorstehende KI-Wende vorbereiten.

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