Nach der Übernahme von Twitter durch Elon Musk und dessen turbulentem Kurs wandern viele NutzerInnen zum Microblogging-Dienst Mastodon ab. Zwischen Oktober und November 2022 stieg die Zahl der monatlich aktiven NutzerInnen von 300'000 auf 2.5 Millionen.
Mastodon ist ein föderiertes Netzwerk, das aus vielen miteinander verbundenen Servern besteht, die von verschiedenen Organisationen und Einzelpersonen betrieben werden. Jeder Server repräsentiert eine Gemeinschaft, die ihren Themenschwerpunkt, ihre Verhaltensregeln oder ihre Inhaltsmoderation selbst festlegen kann, so dass die NutzerInnen einer Gemeinschaft beitreten können, die ihren Interessen am besten entspricht. Inhalte können innerhalb und zwischen den Gemeinschaften ausgetauscht werden. Einige Gemeinschaften können jedoch Inhalte aus einer anderen Gemeinschaft filtern, z. B. aufgrund von Hassreden. Diese verteilte Struktur verhindert eine Machtkonzentration: Keine einzelne Einheit kann die Regeln des gesamten Netzes ändern und damit den Informationsfluss kontrollieren. Stattdessen wird die Entscheidungsbefugnis an die einzelnen Gemeinschaften delegiert.
Mastodon ist Teil eines grösseren Konglomerats von miteinander verbundenen Social-Media-Plattformen – dem sogenannten Fediverse. Das Fediverse basiert auf dem offenen ActivityPub-Protokoll des World Wide Web Consortiums, das den Austausch von Inhalten über soziale Mediennetzwerke hinweg ermöglicht. So können Mastodon-NutzerInnen beispielsweise auch Videos kommentieren und mögen oder Konten der Videoplattform PeerTube von Mastodon aus folgen.
Dennoch wurden mehrere Bedenken gegen Mastodon und das Fediverse geäussert. Die dezentrale Struktur des Netzwerks erschwert die Durchsetzung von Regeln und die Regulierung von Inhalten, was zu einer Verbreitung schädlicher Inhalte führen könnte. Es wird befürchtet, dass das Fediverse nicht die gleiche Akzeptanz im Mainstream findet wie andere beliebte Social-Media-Plattformen, was seinen Gesamteinfluss einschränken könnte.
Letztlich hängt der Erfolg von Mastodon und dem Fediverse von verschiedenen Faktoren ab, z. B. von ihrer Fähigkeit, kontinuierlich neue NutzerInnen anzuziehen und zu halten, sowie von ihrer langfristigen finanziellen Nachhaltigkeit. Schlieslich hängt die Fähigkeit eines Netzwerks, eine breite Akzeptanz zu erreichen, auch von den Ressourcen ab, die zur Verfügung stehen, um neue NutzerInnenbedürfnisse zu analysieren und zu erfüllen oder sogar zu schaffen. Dennoch kann das Fediverse als ein Schritt in Richtung der nächsten Iteration des Internets (oft als Web3 bezeichnet) betrachtet werden und als eine natürliche Antwort auf Mainstream-Social-Media-Plattformen wie Facebook oder Twitter. Diese sind wegen einer Reihe von Problemen in die Kritik geraten, z. B. wegen der Art und Weise, wie sie mit NutzerInnendaten umgehen, und ihrer Bemühungen, den Informationsfluss auf ihren Plattformen zu kontrollieren.
Die Chancen und Risiken dezentraler und verteilter Systeme werden auch in unserer kürzlich veröffentlichten Studie «Hype or Help? Die wahren Vorteile von Blockchain» thematisiert.