Vor dem grossen #ClimateStrike

Eine neue Protestgeneration formiert sich – diesmal gegen den Klimawandel. Im Vorfeld des globalen Aktionstags am 15. März hat das GDI  untersucht, ob die Bewegung über ihre europäischen Wurzeln hinauswächst, und ob sie zu weitreichenden Verhaltensänderungen führen kann.
14 März, 2019 durch
Vor dem grossen #ClimateStrike
GDI Gottlieb Duttweiler Institute

Am Freitag, den 15. März, ist «Global Climate Strike for Future» angesagt. Weltweit sollen Schüler statt in die Schule auf die Strasse gehen, um gegen den Klimawandel zu demonstrieren. Was im August 2018 als Einzelaktion der damals 15jährigen Greta Thunberg vor dem schwedischen Parlament begann und sich seither zu einer internationalen Bewegung formierte, soll damit erstmals globale Kreise ziehen.

Ganz so weit dürfte es zumindest jetzt noch nicht kommen. Denn die Bewegung ist noch immer stark von den reichen Staaten im Allgemeinen und Westeuropa im Besondern geprägt. Wie sehr, zeigt sich in der ClimateStrike-Karte von FridaysForFuture.org.

Dort sind (Stand 11. März) insgesamt 1057 Aktionen in 89 Ländern für den 15. März angekündigt. Allerdings findet die klare Mehrheit dieser Aktionen im Westen Europas von Gibraltar bis Island statt – 63,7 Prozent. Gemessen in Teilnehmerzahlen dürfte die Dominanz Westeuropas noch weit deutlicher ausfallen. Auf die beiden bevölkerungsreichsten Kontinente, Asien und Afrika, entfallen zusammengenommen nicht einmal fünf Prozent aller geplanten Aktionen. Ein praktisch völlig weisser Fleck auf der Karte der Schulstreik-Bewegung sind die muslimischen Staaten des Nahen Ostens.

Ob die Bewegung nachhaltig ausserhalb der reichen Staaten Westeuropas Fuss fassen kann, hängt vor allem davon ab, ob die Anführerin der Bewegung dort auf Widerhall stösst. Denn Thunbergs Person und ihre Kommunikation prägen die ClimateStrike-Aktionen massgeblich. Dies zeigt sich deutlich in den Netzwerkanalysen, die das GDI mithilfe der Condor-Software der Firma Galaxyadvisors für die Kommunikation rund um den Hashtag #ClimateStrike auf Twitter durchführt. Die Software berechnet dabei unter anderem die «Betweenness» der zu diesem Begriff aktiven Accounts. Nach einer ersten Analyse, die den Zeitraum zwischen dem 8. und 12. Februar umfasste, werden nun weitere Untersuchungen im Zeitraum zwischen dem 5. und 10. März durchgeführt. Eine Messung fand während der Schulstreik-Aktionen am Freitagvormittag statt, zwei weitere an den Tagen davor und danach.

Ein bedeutender Unterschied zwischen diesen Messungen zeigt sich in der Zentralität Greta Thunbergs. An Freitagen ist die 16jährige Schwedin die mit Abstand zentralste Figur in den Netzwerken, die sich um #ClimateStrike bilden – eine überragende Identifikationsfigur für die Streiks, die die Teilnehmer aus ihrer Altersklasse begeistert.

Greta Klimastreik 190308_climatestrike_kopie.pdf

Jenseits der eigentlichen Aktionstage treten allerdings auch andere Personen und Institutionen hervor. Dabei ist insbesondere Mike Hudema zu nennen: Der kanadische Greenpeace-Campaigner berichtet ausführlich über die Streik-Bewegung, aber auch über die Folgen des Klimawandels sowie über Massnahmen und Technologien, die ihm Einhalt gebieten können. Mit dieser – vergleichsweise breiten – Themenpalette nimmt Hudema sowohl in den Tagen vor wie nach den Schulstreiks eine zentralere Rolle ein als Thunberg selbst.

190305_climatestrike_kopie.pdf

In Greta Thunbergs Kommunikation spielt lediglich eine Aktionsform eine Rolle: der Schulstreik; und nur ein Thema: der Klimawandel. Konkrete Massnahmen, ob Verhaltens- oder Gesetzesänderungen, andere Produkte oder neue Technologien finden in ihrer Kommunikation nicht statt. Einen umso breiteren Raum nehmen die Streik-Aktionen selbst ein. Dies zeigt eine Betrachtung ihres Verhaltens auf Twitter in der Woche vom 17. bis 23. Februar: Knapp die Hälfte ihrer Tweets sind Retweets von den unterschiedlichen ClimateStrike-Schauplätzen: Es entsteht damit der Eindruck einer globalen Bewegung, von Island bis Uganda, von Japan bis Florida. Einen ähnlichen Umfang hat der Verweis auf Berichte über sie aus Medien wie «New York Times» oder «Financial Times» sowie ihre eigene Aktionen, in jener Woche unter anderem ein Besuch bei der EU-Kommission in Brüssel und die Teilnahme an der Freitags-Demonstration in Paris. Debatten fehlen, auch ein Anschluss an andere Themen und Aktionsformen findet nicht statt. Diese Fokussierung lässt vermuten, dass Greta Thunberg wohl nur so lange eine zentrale Rolle in der Umweltbewegung spielen wird, wie dort die von ihr gestartete Aktion im Mittelpunkt steht.

Thunbergs Fokussierung macht es schwer, eigentlich unmöglich, sie für etwas zu vereinnahmen, das nicht Schulstreiks gegen den Klimawandel heisst. Versuche in diese Richtung gibt es reichlich – vor allem bezüglich Themen, bei denen die jeweiligen Aktivisten eine besondere Nähe zum Anliegen der Bewegung sehen. Zwischen 10 und 20 Prozent der Hashtags, die in Tweets gemeinsam mit #Climatestrike oder #FridaysForFuture auftauchen, beziehen sich auf Themen wie Veganismus und Tierschutz, Green New Deal und Verkehrswende, freies Internet und Freiheit für Assange. Gut möglich, dass das eine oder andere davon auf Sympathie bei Aktions-Teilnehmern stösst; Greta Thunberg allerdings geht auf keines dieser Themen ein.

Wenn sich also aus der Schulstreik-Bewegung Verhaltensänderungen ergeben sollten, die ökonomisch und gesellschaftlich relevant werden, so werden diese nicht von Thunberg selbst angestossen. Sie schafft lediglich ein Umfeld, in dem sich Fleisch- oder Flugverzicht, «Planetary Diet» oder «Green New Deal» besser verbreiten können. Ob sich solche Änderungen tatsächlich vollziehen, lässt sich aufgrund der aktuellen Social-Media-Kommunikationen noch nicht abschätzen.

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