«Fitness-Tracker» für Städte: Zwischen Optimierung und Kontrolle

Selbstoptimierung durch Selbstüberwachung: Nie war das einfacher als heute. Doch was bedeutet es, wenn zunehmend auch öffentliche Organe Fitness-Tracker und ähnliches  zur Effizienzsteigerung nutzen? Dieser Frage gehen GDI-Forscherinnen und -Forscher in der Studie «Future Public Space» nach.
12 November, 2018 durch
«Fitness-Tracker» für Städte: Zwischen Optimierung und Kontrolle
GDI Gottlieb Duttweiler Institute

Der folgende Text ist ein Auszug aus der GDI-Studie «Future Public Space – Die Zukunft des öffentlichen Raums». Sie steht gratis zum Download bereit.

Ob Ruhepuls, Schlafqualität, Stress-Level oder Eisprung: Dank Wearables und den daraus gewonnenen Daten kennen wir unseren physischen und psychischen Zustand heute besser denn je. Doch neue Technologien zur Optimierung werden nicht nur von privaten Individuen, sondern immer mehr auch von öffentlichen Institutionen genutzt.

Ein Beispiel ist das Projekt «Array of Things» in Chicago, einer Art «Fitness-Tracker» für die Stadt. An 50 Laternenpfählen wurden Sensoren angebracht, die in Echtzeit Luftqualität, Lärm und die Vibration vorbeifahrender Lastwagen messen. Das System soll voraussagen, wo sich der Verkehr staut oder wann Verkehrsüberlastungen auftreten können. Registrieren die Luftmessungsgeräte erhöhte Feinstaubwerte oder verstärkten Pollenflug, kann das Netzwerk zum Beispiel einen Warnhinweis auf eine Asthma-App schicken und den Passanten alternative Routen mit geringerer Belastung vorschlagen.

In anderer Form nutzt die Stadt Boston neue digitale Technologien. Um die Effizienz und Steuerbarkeit der Stadt zu steigern, wurde eine «CityScore» eingeführt. Sie informiert Bürgermeister und Stadtverwaltung in Echtzeit über den Zustand der Stadt. Genutzt werden dazu die Daten aus den einzelnen Verwaltungsabteilungen, wie zum Beispiel der Stand der Installation neuer Verkehrsschilder oder wie viele Schiessereien registriert wurden. Aus diesen Informationen wird die aktuelle «Performance» Bostons berechnet.

So interessant und vielversprechend solche Einblicke in die Infrastruktur sind: Der Grat zwischen Kontrollierbarkeit (im Sinne von Effizienz) und der Kontrolle der Bürger (mit Verlust der Freiheit) ist in computerisierten Stadt-Systemen ein schmaler. Aus dystopischer Expertensicht lässt sich eine total überwachte und kontrollierte Gesellschaft skizzieren. Der urbane Raum wird durchcodiert. Vom Abfallmanagement bis zur Fluktuation in den Einkaufsmeilen ist alles programmiert. Die Besucherströme werden durch Algorithmen – etwa durch Echtzeit-Empfehlungen auf Google Maps oder Tripadvisor – gesteuert und kanalisiert. Privatsphäre und Anonymität wären in diesem Szenario verloren.

Doch so weit kommt es vorläufig nicht – zumindest solange wie robuste demokratische und rechtsstaatliche Prozesse eine Totalüberwachung und Kontrolle des öffentlichen Raums zu verhindern vermögen.

Mehr zum Thema in der Studie «Future Public Space – Die Zukunft des öffentlichen Raums».

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