C&A-CEO Giny Boer: «Das Thema "Produktion in Europa" hat neuen Schwung bekommen»

Wie kann man in einem digitalen Markt konkurrieren? Welche Transformationsschritte müssen unternommen werden? Giny Boer, CEO von C&A und Referentin an der 72. Internationalen Handelstagung, ist verantwortlich für die Zukunftsstrategie des Unternehmens und beantwortet im Interview unsere Fragen.
17 August, 2022 durch
C&A-CEO Giny Boer: «Das Thema "Produktion in Europa" hat neuen Schwung bekommen»
GDI Gottlieb Duttweiler Institute
GDI: Im Jahr 2021 wechselten Sie von Ikea zu C&A. Was kann ein Modehändler von einem Möbelhaus lernen?

Giny Boer: Es ist wichtig, dass C&A selbstbewusst auftritt und seinen eigenen Weg geht. Mit den Erfahrungen, die ich in meiner Karriere – nicht nur bei Ikea, sondern auch in anderen Positionen – gesammelt habe, kann ich dazu einen wertvollen Beitrag leisten. Ikea und C&A sind beides internationale Organisationen mit einer langen Geschichte als Familienunternehmen. Als Einzelhändler zielen wir mit den Produkten, die wir verkaufen, auf ein breites Publikum ab. So können wir bei C&A diese Aspekte mit unserer gemeinsamen Leidenschaft für Mode verbinden.

C&A wird nachgesagt, im E-Commerce hinterherzuhinken – das wollen Sie ändern. Was sind die Vorteile eines Late Adopters?

C&A hatte nie die Absicht, sich nur auf den Online-Handel zu konzentrieren. Stattdessen wollen wir einen gemischten digitalen und Offline-Ansatz stärken, der das zunehmend komplexe Kaufverhalten unserer KundInnen widerspiegelt. Heute sind wir dabei, bedeutende, transformative Veränderungen vorzunehmen. Wir glauben, dass dies den zukünftigen Erfolg von C&A in einem digitalen Markt sichern wird. In den nächsten drei Jahren werden wir mehr in digitale Lösungen investieren als in den letzten zehn Jahren. In den nächsten zwei Jahren planen wir, unsere Digital- und E-Commerce-Teams aufzustocken und rund 100 neue Stellen zu schaffen. Mit der Modernisierung von fast 400 Filialen stärken wir unser Filialgeschäft. Schon heute können wir in den neu gestalteten Geschäften deutlich höhere Besucherzahlen verzeichnen.

An der 72. Internationalen Handelstagung geht es um das Thema «Flow Commerce», also den nahtlosen Handel on- und offline. Wie bauen Sie eine solche Welt für C&A auf?

Die intensive Interaktion mit den VerbraucherInnen auf ihrem Weg über verschiedene Kanäle ist für uns sehr wichtig. Wir versuchen sicherzustellen, dass der Austausch an jedem Touchpoint reibungslos und über alle Kanäle hinweg unverwechselbar ist. Ein Beispiel: Mit Click & Collect bieten wir eine Omnichannel-Erfahrung an, indem wir Produkte online zeigen, die auch im Laden erhältlich sind. Auch die Zusammenarbeit mit Social-Media-Influencern ist für uns von grosser Bedeutung. Sie bringen unsere Kunden dazu, unsere Marke zu entdecken, in unseren Online-Shops zu stöbern und unsere Geschäfte zu besuchen.

Wie wirken sich schwankende Lieferketten und die Aggression Russlands gegen die Ukraine auf Ihr Unternehmen aus?

Der Ausbruch der Covid-Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben die globalen Herausforderungen erhöht. Wir sehen gestörte Abläufe in den globalen Lieferketten, Container, die kaum oder nur zu sehr hohen Preisen verfügbar sind, und gestiegene Treibstoffpreise, die den Transport per Containerschiff und Lkw zusätzlich belasten.

C&A hat einen Teil seiner Jeans-Produktion nach Deutschland verlagert. Ist das neben dem Nachhaltigkeitsfaktor auch ein Zeichen für die abnehmende Globalisierung?

Wir haben unsere Entscheidung schon vor der Pandemie getroffen. Für uns ist es wichtig, die Produktion kontinuierlich zu verbessern und nachhaltiger zu gestalten, unabhängig vom Standort, sei es in Europa, Asien oder anderswo. C&A FIT ist ein wichtiger Teil dieses Ansatzes. Durch die unterbrochenen Lieferketten hat das Thema «Produktion in Europa» insgesamt neuen Schwung bekommen. Die Folgen des Krieges in der Ukraine treffen nun auch andere Branchen hart.
Als europäisches Unternehmen sehen wir uns in unserer Entscheidung für unser neues Mönchengladbacher Werk C&A FIT einmal mehr bestätigt. Hier zu produzieren, bedeutet mehr Nähe zu einem grossen Teil unserer KundInnen und mehr Unabhängigkeit von globalen Lieferketten.

Der Kampf um gute Mitarbeitende verschärft sich. Wie wollen Sie ihn gewinnen?

Sie gewinnen zuverlässige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einer überzeugenden Unternehmenskultur. Ich bin davon überzeugt, dass ein freundlicher und kooperativer Führungsstil unerlässlich ist. Für mich sind Respekt, Transparenz und eine klare Vision wichtige Elemente auf unserem gemeinsamen Weg bei C&A. Wir unterstützen unsere KollegInnen, tauschen Informationen aus und lassen ihnen genügend Möglichkeiten, ihre Sichtweisen einzubringen. Jeder hat es verdient, gut behandelt zu werden und sich bei C&A zugehörig zu fühlen, ganz gleich, welchen Hintergrund oder welche Identität er hat. Ich bin davon überzeugt, dass wir ein Umfeld schaffen, in dem man seine Stärken ausspielen kann, in dem man wächst und in dem man bei C&A zu seinem besten Selbst werden kann.

Boer ist Referentin an der 72. Internationalen Handelstagung, die vom 8. bis 9. September 2022 am Gottlieb Duttweiler Institut stattfindet. ExpertInnen aus Handel, Forschung und der Start-Up-Szene referieren und diskutieren zum Thema Flow Commerce: How Shifting Boundaries Reshape Retail.

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