Purpose-Kommunikation: Nur reden reicht nicht

Jüngere Konsumenten hinterfragen Marken und Unternehmen zunehmend auf ihre Werte und ihre Gesinnung. Brand Purpose schafft hier eine auf gemeinsamen Werten basierende Kundenloyalität. Bei der Kommunikation dieser Werte gibt es aber einiges zu beachten, wie die GDI-Studie «Globale Konsumproteste» zeigt.
26 November, 2020 durch
Purpose-Kommunikation: Nur reden reicht nicht
GDI Gottlieb Duttweiler Institute
 

Der nachfolgende Text basiert auf einem Auszug aus der GDI-Studie «Globale Konsumproteste: Rebellion zwischen Hoffnung und Hype», die über unsere Website bezogen werden kann.

«Es ist nicht mehr die Frage, ob, sondern wie man Stellung bezieht», sagt Amanda Glasgow, Branding-Executive beim Kommunikationsriesen Edelman. Unternehmen müssen deshalb immer mehr entscheiden, für welche Werte sie einstehen. Firmen müssen sorgfältiger handeln und eindeutiger Stellung beziehen denn je. Purpose-Kommunikation ist dabei nicht auf Klima, Umwelt oder Tierwohl beschränkt. Auch soziale Themen wie die MeToo-Bewegung, Black Lives Matter oder die Rechte der LGBTQIA-Community bewegen Marken zu einem Bekenntnis oder einer Purpose-Kampagne.

Beispielsweise löste Nike im Herbst 2018 mit seiner «Just do it»-Kampagne mit US-Football-Spieler Colin Kaepernick eine politische Debatte aus. Colin Kaepernick war der erste Spieler, der während der Nationalhymne vor den NFL-Spielen niederkniete, um gegen Polizeigewalt und die Ungleichbehandlung von Schwarzen in den USA zu demonstrieren. Ein Beispiel, dem viele seiner Kollegen folgten – sehr zum Missfallen von konservativen Republikanern, inklusive Präsident Donald Trump.

Dass Nike für die neue Kampagne gerade diesen Spieler auswählte, wurde von den Kunden sehr unterschiedlich aufgefasst. Die einen lobten Nike für den Mut, Diskriminierung anzusprechen. Doch besonders beim eher konservativ eingestellten Teil der Käuferschaft kam die Botschaft überhaupt nicht gut an. Unter #boycottnike und #justburnit wurde in den sozialen Medien zum Boykott aufgerufen und Videos geteilt, die zeigen, wie Kritiker ihre Nike-Produkte anzündeten oder anderweitig zerstörten.

Ein ähnliches Erlebnis hatte Gillette, eine Marke für Rasierapparate und andere Körperpflegeprodukte des Konsumgüterherstellers Procter & Gamble. Der im Januar 2019 veröffentlichte Kurzfilm «We Believe: The Best Men Can Be» spielt auf den 30-jährigen Slogan der Marke «The Best a Man Can Get» an und greift Themen wie Sexismus, Mobbing, sexuelle Belästigung und toxische Maskulinität auf. Die Kampagne beinhaltet eine dreijährige Selbstverpflichtung von Gillette, Spenden an Organisationen zu leisten, die «Männern helfen, ihr persönliches Bestes zu erreichen». Gillette wurde von einigen dafür gelobt, dass sie sich mit aktuellen sozialen Fragen befasst und positive Werte unter Männern fördert. Viele langjährige (männliche) Gillette-Kunden fühlten sich von dieser Werbung jedoch entmannt und riefen zum Boykott von Gillette-Produkten auf. Der Kurzfilm ist mit über 1,5 Millionen Dislikes und einem Like-zu-Dislike-Verhältnis von 1:2 zudem eines der unbeliebtesten Videos auf YouTube.

Ebenfalls für soziale Themen setzte sich Coca Cola Schweiz im Januar 2020 ein. Kurz vor der nationalen Abstimmung zum Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung schaltete Coca Cola ein regenbogenfarbenes Inserat mit einem Plädoyer für Verständnis, Solidarität und eine bunte und diskriminierungsfreie Gesellschaft. Dieses Inserat wurde unter anderem sehr prominent auf den Titelseiten der deutschen, französischen und italienischen Print-Ausgaben der Pendlerzeitung «20 Minuten» platziert. Das Inserat sei keine Abstimmungsempfehlung, doch der Zeitpunkt wurde sehr bewusst gewählt. Zudem sei die Kampagne erst der Anfang einer Offensive, mit der sich Coca Cola für eine moderne und diskriminierungsfreie Schweiz einsetzen wolle. Das kommt bei fast allen gut an. Nicht so aber bei der Jungen SVP, die ihre Mitglieder zum Boykott aufruft. Fortan sollen diese stattdessen den Schweizer Softdrink Vivi Kola trinken oder auf Pepsi ausweichen. Der Boykott hielt allerdings nicht lange an, gut zwei Wochen später standen bei der Hauptversammlung der Jungpartei bereits wieder die weltbekannten Flaschen mit dem roten Etikett auf den Tischen.

Dass eine Vereinnahmung von aktuellen gesellschaftlichen Themen für Eigenwerbung nicht immer gut kommt, weiss seit April 2017 auch der ewige Coke-Konkurrent Pepsi. In einem umstrittenen Werbespot treffen fröhliche und buntgemischte Demonstranten – schwarze Tänzer, asiatische Musiker, muslimische Fotografinnen – auf (weitgehend unbewaffnete) Polizisten. Mittendrin Supermodel Kendall Jenner, die einem der Polizisten eine Dose Pepsi überreicht, worauf die Demonstranten in Jubel ausbrechen. Damit wollte Pepsi «eine globale Botschaft von Einheit und Verständnis projizieren», erntete aber nur einen grossen Shitstorm. Gerade in den USA, wo die Stimmung durch Women’s Marches sowieso schon aufgeheizt war, kam der Clip überhaupt nicht gut an. Die Negativreaktionen fielen so heftig aus, dass sich das Unternehmen gezwungen sah, den Clip kurz nach Veröffentlichung wieder zu entfernen und sich öffentlich zu entschuldigen.

Pepsi ist ein gutes Beispiel dafür, dass es für ein Unternehmen oder eine Marke eben nicht ausreicht, aktuelle politische Themen in einer Hochglanz-Werbekampagne aufzugreifen und zu thematisieren. Es muss glaubwürdig rüberkommen und von den Konsumentinnen als ehrlich und ernst wahrgenommen werden. Ansonsten richtet man mit einer «woke» Kampagne mehr Schaden als Nutzen für die Marke an: Die Konsumenten, die man ansprechen will, nehmen der Marke den Purpose nicht ab und kehren ihr den Rücken. Und auch die anderen Konsumentinnen, die man mit der Kampagne gar nicht erreichen wollte, wenden sich ab – sie fühlen sich von der Marke verraten, da sie für andere Werte einsteht.

GDI-Studie Nr. 49 / 2020

Sprache: Deutsch

Format: PDF, 50 Seiten

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