Wir Affen auf Facebook

Das Internet macht uns zu Primaten, sagt Lionel Tiger.
4 März, 2012 durch
Wir Affen auf Facebook
GDI Gottlieb Duttweiler Institute

Und wenn alles anders wäre? Technologische Entwicklungen, so die gängige Annahme, befreien uns von den Unannehmlichkeiten der Natur: Dank den Segnungen der Technik werde alles bequemer, schneller, sauberer – zivilisierter. Der Fortschritt mache aus den Tieren, die wir mal waren, Menschen.

«Das Gegenteil ist der Fall», behauptet der angesehene Anthropologe Lionel Tiger in einem soeben vom GDI als E-Book publizierten Aufsatz . Wir täten in sozialen Netzwerken nichts anderes als die Primaten und Affen seit Millionen Jahren: einander gegenseitig zu kraulen, wenn auch im übertragenen Sinn.

«Social Grooming» (Fremdputzen) nennt sich dieses Verhalten, das «vorrangig der Aufrechterhaltung von Sozialstrukturen dient»: Pferde beknabbern einander, Vögel putzen sich gegenseitig das Gefieder, Affen lausen ihre Artgenossen. Für den Forscher Tiger erklärt die Soziale Körperpflege, warum wir auf Facebook selten Monumentales verkünden, sondern uns in erster Linie unserer gegenseitigen Aufmerksamkeit versichern. Tatsächlich meinen sehr viele Statusmeldungen im Kern eigentlich «Hallo, ich bin da».

Technologie, so Lionel Tiger, führt also nicht zu einer Befreiung des Menschen von seiner Natur, sondern zur «Reprimatisierung». Und die Sozialen Netzwerke seien besonders geeignet, unsere «Affen-Seiten» auszuleben. – Gewagt? Das GDI jedenfalls wird sich der These noch eingehender annehmen. (ale)

Studie, 2015 (kostenloser Download)

Sprache: Deutsch, Französisch
Im Auftrag von: Stiftung Cerebral

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