Ist Musik-Streaming ein Klimakiller?

Der Fussabdruck der Digitalisierung beträgt gerade mal drei Prozent. In Anbetracht ihres riesigen Einsparpotenzials an CO2 ist das nicht viel. Oder vielleicht doch? Eine neue Studie der Universität Zürich und des GDI untersucht die Effekte digitaler Produkte und Dienstleistungen auf den Klimawandel. Die Untersuchung zeigt auf, wo AnbieterInnen und KonsumentInnen eingreifen können, um Treibhausgas-Emissionen zu vermeiden.
5 Dezember, 2022 durch
Ist Musik-Streaming ein Klimakiller?
GDI Gottlieb Duttweiler Institute

Digitale Produkte und Dienstleistungen sind fester Bestandteil aller Lebensbereiche und haben während der Pandemie stark an Beliebtheit gewonnen. Videokonferenzen, Home Delivery und Streaming von Filmen und Musik haben die Schweizer Haushalte erobert und viele ineffiziente Produkte und Dienstleistungen ersetzt. Doch führt diese Substitution insgesamt zu einer Reduktion von Treibhausgasen, oder machen Rebound-Effekte die Fortschritte wieder zunichte? Ab wann lohnt sich das Lesen einer Zeitung auf einem Reader, und wie klimafreundlich ist das Home Office tatsächlich?

Eine neue Meta-Studie der Universität Zürich und des Gottlieb Duttweiler Instituts analysiert im Auftrag der Wirtschaftsverbände SWICO und Swisscleantech nun erstmals umfassend und systematisch die positiven und negativen Klimaeffekte von elf ausgewählten digitalen Produkten und Dienstleistungen. Hinsichtlich der notwendigen Massnahmen lassen sich die Produkte in drei Kategorien einteilen:

  • Bei Produkten wie Video- und Musikstreaming geht es vor allem darum, sie möglichst Treibhausgas(THG)-effizient bereitzustellen und gleichzeitig zu vermeiden, dass der Konsum massiv ansteigt.
  • Bei E-Book-Readern und Online-Zeitungen sollten Anbieter und Nutzer vor allem darauf achten, dass wenige neue Geräte für den Konsum beschafft werden (müssen), da deren Produktion material- und energieintensiv ist.
  • Die Produkte Mobility-as-a-Service, Routenplanung und Navigation, Home Office, virtuelle Meetings/Konferenzen, Online-Versandhandel, Essenslieferdienste und auch Präzisionslandwirtschaft bieten ein hohes theoretisches Potenzial, die THG-Emissionen des Verkehrs, des Gebäudesektors und der Landwirtschaft zu senken. Allerdings ist fraglich, inwiefern sich das Potenzial tatsächlich realisiert, weil diese Produkte auch komplementär zu konventionellen Alternativen genutzt werden und so sogar zu Mehrkonsum führen können. Daher ist es hier vor allem wichtig, durch ein geeignetes Produktdesign sowie effektive Regularien zu erreichen, dass die Nutzung des digitalen Produkts tatsächlich zu einer Vermeidung THG-intensiver, konventioneller Alternativen führt.

Betrachtet man die zunehmende Nutzung digitaler Produkte aus einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive, so lässt sich feststellen, dass die globalen THG-Emissionen trotz Digitalisierung weiter zunehmen. Dies wird in der Literatur unter anderem damit erklärt, dass gerade die digital ermöglichten Effizienzgewinne zu Reboundeffekten führen: Die digitalen Produkte sind im Vergleich zu ihren analogen Vorgängern schneller, bequemer, leichter zugänglich und immer verfügbar. Zudem sind sie häufig gratis, zumindest aber billiger, oder sie werden mit günstigen Flatrates angeboten. So nimmt der Konsum zu, und die vermiedenen Emissionen werden in der Summe kompensiert oder sogar überkompensiert. Daher können Massnahmen, die darauf abzielen, die Digitalisierung in den Dienst des Klimaschutzes zu stellen, nicht allein auf Produktebene ansetzen, sondern müssen mit der Gestaltung der politisch gesetzten Rahmenbedingungen einhergehen, die Anreize in Richtung Klimaschutz schaffen.

Erfahren Sie mehr zum Zusammenhang von Digitalisierung und Emissionen in der Studie «Auswirkungen digitaler Produkte auf den Klimaschutz». Jetzt kostenlos herunterladen!

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