«Beziehungspflege ist schwieriger als man denkt»

Offenheit, Toleranz, Zuhören: Marc Berg von der Otto Group baut in Geschäftsbeziehungen auf ähnliche Werte wie im Privaten. Ein Interview zum GDI-Trendtag 2012.
5 Januar, 2012 durch
«Beziehungspflege ist schwieriger als man denkt»
GDI Gottlieb Duttweiler Institute

Wie viele Freunde haben Sie?
Sehr wenige. Echte Freundschaften sind zeitintensiv. Ich möchte Qualität vor Quantität.

In sozialen Netzwerken wird Teilen und sich mitteilen immer wichtiger. Was teilen Sie?
Mein Vater ist Siegerländer, eher schweigsam und nicht gerade mitteilungsbedürftig. Ich glaube, in dieser Hinsicht habe ich viele seiner Gene übernommen. Ich bin ein großer Skeptiker gegenüber dem persönlichen Nutzen von sozialen Netzwerken. Privat teile ich so gut wie keine Informationen. Ich habe kein Facebook-Profil, bin nicht bei StudiVZ registriert. Lediglich bei professionellen Netzwerken (XING oder LinkedIn) bin ich registriert, um beruflich die Vorteile für die Otto Group zu nutzen. Der Drang sich selbst auf Facebook zu «exhibitionieren» ist für mich nur schwer nachvollziehbar. Vielleicht ist dies auch ein gesellschaftlicher Wandel, und ich gehöre schon zur alten Generation. Anderseits sehen wir auch heute schon vermehrt Tendenzen, das Teilen von Informationen auf den großen Plattformen stärker einzugrenzen und gezielter auszuwählen: Wem möchte ich wirklich was mitteilen? Meine persönliche Vermutung ist, dass wir noch mitten in der Experimentierphase sind, und erst in zehn Jahren sehen, ob sich unser Mitteilungsverhalten (nicht wie, sondern was ich mitteilen möchte) wirklich massiv verändern wird.

Am GDI-Trendtag reden wir über den «Kult des Sozialen». Wer sind die Hohepriester dieses Kults?
Am ehesten würde man über Mark Zuckerberg nachdenken. Allerdings halte ich das für falsch. Hohepriester haben eine Verantwortung gegenüber den Menschen. Mark Zuckerberg nimmt diese Verantwortung nicht wahr. Somit bin ich eher geneigt zu sagen, dass es die 500 Million und mehr Menschen sind, die diesen Kult selbst vorantreiben.

Und was bedeutet in diesem Zusammenhang das Wort «Beziehungskapital»?
Es umschreibt, meiner Meinung nach eher im unschönen kapitalistischen Sinne, den Wert einer Beziehung zwischen zwei Menschen, oder zwischen einem Menschen und einem Unternehmen. Wer eine gute Beziehung mit seinem Partner im Privatleben führt, weiß, dass diese Beziehung «Gold» Wert ist, spätestens, wenn man einmal gemeinsam durch eine Krise gegangen ist. Vergleichbar verhält es sich auch bei Beziehungen zwischen Kunden und Unternehmen, allerdings oft weniger romantisch. Offen sein, tolerant sein, zuhören, Fehler verzeihen, sich gemeinsam freuen: Das ist nicht nur in einer privaten Beziehung essentiell. Auch für Unternehmen kann ein solches Verhalten in der Beziehung zu ihren Kunden materiell sehr wertvoll sein, nämlich um Produkte zu verbessern, Kundenbedürfnisse zu verstehen oder neue Produkte auf den Markt zu bringen.

Was benötigen Händler für den Erfolg im Social Business?
Ein sinnvolles Geschäftsmodell. Aus einer Handelsbrille gesehen gibt es heute kaum wirklich interessante stand alone Social Commerce Modelle. Als ergänzende Wertschöpfung für Unternehmen - beispielsweise in der Marktforschung, PR, Produktentwicklung etc - bedarf es, neben ein wenig technischem Verständnis über die richtige und sinnvolle Integration der Medien, die selben Voraussetzungen wie in jeder guten privaten Beziehung. Allerdings ist das schwerer als man denkt, denn wie viele wirklich tolle private Beziehungen kennen Sie in Ihrem direkten Umfeld?

Marc Berg ist seit drei Jahren Direktor Corporate Strategy des Handelskonzerns Otto Group. Zuvor war er als Leiter Vertriebs- und Markenstrategie für die Otto GmbH & Co tätig. Am GDI-Trendtag wird Berg ein Referat mit dem Titel «E-Commerce: Alles social oder was?» halten.

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