67 % DER SCHWEIZER BEVÖLKERUNG SIND MIT IHREM FAMILIENLEBEN ZUFRIEDEN – NEUE GDI-STUDIE
Rüschlikon, 31. Mai 2024. Trotz sinkender Geburtenraten wird in der Schweiz der Familie immer noch ein hoher Stellenwert beigemessen. 67 % der Schweizer Bevölkerung sind mit ihrem Familienleben zufrieden, obwohl viele unter Zeitstress stehen. Der Veränderungsdruck, der auf das traditionelle Familienmodell einwirkt, ist jedoch stark. Freude am Job, gute Freundschaften und andere Lebensziele werden heute zunehmend höher gewichtet als die Gründung einer Familie. Das zeigt die neue Studie «Unbundling the Family – Schweizer Familien zwischen Tradition und Transformation» des Gottlieb Duttweiler Instituts (GDI). Zeitgleich zur Veröffentlichung der Studie wird am 31. Mai die Ausstellung «Burning Down the House: Rethinking Family» am Kunstmuseum St.Gallen eröffnet.
Wie in fast allen Industriestaaten ist in der Schweiz die Geburtenrate gesunken – von 2,1 Kindern pro Frau im Jahr 1970 auf 1,4 im Jahr 2022. Dieser Trend weist auf eine Verschiebung bei den Lebensprioritäten hin. Spass im Job, persönliche Unabhängigkeit und andere Lebensziele werden heute zunehmend höher gewichtet als die Gründung einer Familie. Das zeigen neue Zahlen einer GDI-Umfrage unter deutschsprachigen Einwohnerinnen und Einwohnern in der Schweiz. Um ein erfülltes Leben zu haben, ist es für 86 % der Befragten wichtig, einen Job zu haben, der Spass macht. Fast ebenso wichtig sind eine glückliche Beziehung und gute Freundschaften. Erst an vierter Stelle kommen Kinder mit 65 %. Verheiratet zu sein, schafft es mit 37 % vor der erfolgreichen Karriere auf den vorletzten Platz.
FAMILIENZEIT WICHTIGER ALS GELD
Hätten sie die Wahl, würden 84 % der Befragten mit Kindern lieber mehr Zeit für die Familie haben, als mehr Geld zu verdienen. Denn die Familie steht für sie deutlich im Vordergrund. Nur für knapp 24 % kommen Arbeitsverpflichtungen an erster Stelle. Und nur 24 % glauben, dass es letztendlich allen Familienmitgliedern zugutekommt, sich auf die Karriere zu konzentrieren. In Familien mit Kindern fällt es den Menschen zunehmend schwer, alle familiären Aufgaben unter einen Hut zu bringen. In der GDI-Umfrage haben 34 % der Personen mit Kindern das Gefühl, den Bedürfnissen ihrer Familie nicht gerecht zu werden.
HAUSHALTSAUFGABEN WERDEN ÖFTER ZU GLEICHEN TEILEN ERLEDIGT – IDEAL NOCH NICHT ERREICHT
Der Anteil der Haushaltsaufgaben, der zu gleichen Teilen erledigt wird, ist laut der Studie des GDI auf 30 % gestiegen. 1997 erledigten nicht einmal 8 % der Haushalte die Aufgaben gemeinschaftlich. In 67 % der Familien mit Kindern ist jedoch immer noch hauptsächlich eine Person zuständig – also entweder die befragte Person selbst oder der Partner bzw. die Partnerin (diese Person ist in 78 % der Fälle weiblich). Vor allem bei drei Tätigkeiten klaffen Ist-Zustand und Wunschvorstellung noch weit auseinander: In 33 % der Haushalte wird zu gleichen Teilen geputzt, gewünscht wären 58 %. Das Kochen teilen sich 28 % der Haushalte, hier liegt die Wunschvorstellung bei 52 %, beim Geschenkebesorgen sind es 26 % zu 52 %.
KINDERBETREUUNG BEI FAST DER HÄLFTE DER BEFRAGTEN GLEICHMÄSSIG VERTEILT
Die Aufgaben der Kinderbetreuung werden bei 46 % der Befragten gleichmässig verteilt. In 55 % der Familien werden sie gemeinsam versorgt (z.B. verpflegen, waschen, ins Bett bringen). 58 % der Eltern spielen zu gleichen Teilen mit ihren Kindern, auch die Hausaufgabenbetreuung (42 %) teilen sie sich auf. Doch von der Idealvorstellung ist die Schweizer Bevölkerung noch deutlich entfernt. 74 % wünschen sich, dass die Aufgaben ausgeglichen auf die Elternteile verteilt sind.
WENIG AUSSERFAMILIÄRE UNTERSTÜTZUNG GEWÜNSCHT
Im Durchschnitt über alle Aufgaben hinweg suchen nur 3 % der Befragten Unterstützung im weiteren Familienkreis. Die wenigsten Befragten übertragen die Hauptverantwortung an Personen oder Dienstleister ausserhalb der Familie. Nur in 0,3 % bis 1,8 % der Fälle lagern Haushalte Aufgaben an Haushaltshilfen, Nannys oder andere Dienstleister aus. Diese Zahl steht im Kontrast zu 23 %, deren Kind bzw. Kinder regelmässig in einer Kinderkrippe oder Kita betreut werden. Obgleich diese Unterstützung zwar in Anspruch genommen wird, scheinen die Befragten dies nicht als Übertragen der Hauptverantwortung wahrzunehmen und sehen die Verantwortung noch immer innerhalb der Familie.
Überraschend in unserer Umfrage ist, dass die meisten Menschen in der Schweiz offenbar mit dem Ist-Zustand zufrieden sind. Gerade mal zwischen 1 % und 4 % der Befragten möchten ausserfamiliäre Unterstützung. Und nur 4 % würden idealerweise ihren Haushalt von einer Person ausserhalb der Familie erledigen lassen. Allerdings: Die Offenheit bei jüngeren Befragten wächst; in Zukunft könnte Outsourcing daher eine grössere Rolle spielen.
MEHRHEIT ZUFRIEDEN MIT FAMILIENLEBEN TROTZ ZEITSTRESS
39,4 % der Familien mit Kindern unter 16 Jahren fühlen sich unter Zeitstress. Bei den Familien mit Kindern über 16 Jahren trifft das nur auf 21,3 % zu. Und doch sind laut der GDI-Umfrage trotz des Stresses insgesamt 67 % der Schweizer Bevölkerung — mit und ohne Kinder – mit ihrem Familienleben zufrieden, nur knapp 18 % sind unzufrieden. Die Realität des Familienlebens in der Schweiz nähert sich immer mehr den Idealvorstellungen der Bürgerinnen und Bürger an.
An der Familie schätzt die Schweizer Bevölkerung besonders die Unterstützung, die sie von ihr erhält, sowohl emotional als auch mit konkreter Hilfe oder Unterstützung bei Entscheidungen. Sie schätzt, dass die Familie sie in ihrer Unabhängigkeit unterstützt. Und sie geniesst die Zeit, die man miteinander verbringt. In der GDI-Befragung sagen mehr als drei Viertel der Befragten, ihre Herkunftsfamilie – also die Familie, in der sie aufgewachsen sind – habe einen grossen Einfluss auf die eigenen Werte und Lebenseinstellungen. Mit fast 70 % ist auch der Einfluss auf Glück, Zufriedenheit und zwischenmenschliche Beziehungen ein Zeugnis dafür, wie wichtig die Familie ist, in der man aufwächst.
IMMER MEHR SCHWEIZER*INNEN ENTSCHEIDEN SICH FÜR ALTERNATIVE LEBENSMODELLE
Die meisten Schweizerinnen und Schweizer stellen die Idee von Familie nicht infrage, das Modell bleibt attraktiv. Gleichzeitig haben sich die Vorstellungen von Familie in der Schweiz durch wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen stark gewandelt.
Immer mehr Schweizer*innen scheinen sich für alternative Lebensmodelle zu entscheiden, ohne Ehe (für 46 % ist die Ehe eine veraltete Institution) und ohne Kinder. Es gibt mehr Alleinerziehende (7 %), Patchworkfamilien (5 %) und Regenbogenfamilien. Derzeit sind Letztere mit einem Anteil von 1 % aber noch eher die Ausnahme. Die Zahl von Einpersonenhaushalten wächst ebenfalls. Knapp 80 % leben das klassische Familienmodell: Mutter, Vater, Kind(er).
Auch in der sozialen Anerkennung der unterschiedlichen Familienformen schreitet die Gleichstellung voran. Zwar sind 42 % der Meinung, dass ein Kind sowohl Vater als auch Mutter braucht, um glücklich aufzuwachsen. Aber 55 % glauben, dass ein Kind auch glücklich aufwachsen und sich entfalten kann, wenn es von einem gleichgeschlechtlichen Paar aufgezogen wird. Alleinerziehende werden von einer Mehrheit ebenfalls akzeptiert: 66 % unterstützen es, dass eine Frau, und 62 %, dass ein Mann als alleinlebender Elternteil ein Kind grosszieht, auch wenn sie keine feste Beziehung anstreben.
DOWNLOAD UND AUSSTELLUNG
Die Studie «Unbundling the Family – Schweizer Familien zwischen Tradition und Transformation» steht ab sofort kostenlos unter gdi.ch/familie zum Download bereit. Am 31. Mai wird parallel zur Veröffentlichung der Studie die Ausstellung «Burning Down the House: Rethinking Family» am Kunstmuseum St.Gallen (https://www.kunstmuseumsg.ch/) eröffnet.
METHODE
Für die Studie wurde eine Befragung mit 1004 Teilnehmer*innen in der Schweiz durchgeführt. Die Befragten waren zwischen 18 und 69 Jahre alt und deutschsprachig. Die Umfrage ist bevölkerungsrepräsentativ nach Alter und Geschlecht.
MEDIENKONTAKT
Franziska Wiesner
Head of Marketing and Communications
GDI Gottlieb Duttweiler Institute
Rüschlikon
Telefon +41 79 542 00 30
medien@gdi.ch
—
ÜBER DAS GOTTLIEB DUTTWEILER INSTITUT
Das Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) ist der älteste Think Tank der Schweiz. Es erforscht die Zukunft mit Trend-Studien und internationalen Konferenzen, entwickelt Innovationsstrategien und bildet die Führungskräfte von morgen aus. Mit seinen Aktivitäten baut das GDI eine Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis. Seine Schwerpunktbereiche sind Handel, Ernährung und Gesundheit im Kontext von Gesellschaft, Technologie und Umwelt. Darüber hinaus ist das GDI auch eine Eventlocation für geschäftliche Anlässe. Das unabhängige Institut wird vom Migros-Kulturprozent unterstützt. www.gdi.ch