Neue GDI-Studie: «Entsolidarisiert die Smartwatch? Szenarien für ein datafiziertes Gesundheitssystem»

Rüschlikon, 25. November 2021 – Unsere Gesundheit wird zunehmend in Zahlen übersetzt. Schrittezähler und Gen-Sequenzierungen versprechen genauere Krankheitsprognosen. Die Datafizierung ermöglicht aber auch mehr Kontrolle. Eine neue, im Auftrag der Stiftung Sanitas Krankenversicherung erstellte GDI-Studie untersucht in vier Szenarien die Auswirkungen auf das Solidarprinzip der Gesundheitsversorgung.

Nehmen wir an, eine künstliche Intelligenz würde Ihnen eine schwerwiegende Krankheit voraussagen, falls Sie Ihr Verhalten nicht ändern. Würden Sie einfach weiterleben wie zuvor? Denn mehr Daten erlauben auch eine bessere Überwachung: Hat sich Frau Meier genug Mühe gegeben, ihre prognostizierte Erkrankung zu verhindern? Wenn eine App nachweislich ein anderes Bild zeigt, könnte die neu gewonnene Transparenz das Solidarprinzip der heutigen Gesundheitsversorgung aushöhlen – also das Prinzip, wonach etwa die Prämien in der Grundversicherung nicht vom Gesundheitszustand oder Verhalten abhängig sind. Wie gross ist diese Gefahr?

Das Gesundheitssystem in der Schweiz steht heute am Anfang einer digitalen Transformation. Sie könnte beeinflussen, wie streng die Bedingungen sind, damit jemand auf solidarische Unterstützung zählen kann. Die im Auftrag der Stiftung Sanitas Krankenversicherung verfasste Studie «Entsolidarisiert die Smartwatch? Szenarien für ein datafiziertes Gesundheitssystem» des Gottlieb Duttweiler Instituts skizziert vier mögliche Zukünfte.

Die Szenarien unterscheiden sich zum einen in Bezug auf die Rolle des Staates: Wie sehr greift er ein? Und zum anderen in Bezug auf die Nutzung der Gesundheitsdaten: Dienen sie der Überwachung, oder sollen sie den Menschen helfen, ihre Gesundheitsziele zu erreichen? Die Covid-19-Pandemie liefert aktuelles Anschauungsmaterial für alle Szenarien. Beispielsweise haben Zertifikate eine stärkere Kontrollfunktion, während die Contact-Tracing-App eher unterstützt.

Zu strenge Regeln können entmündigen und gar die Solidarität unterwandern, zu lasche hingegen zu Missbrauch und Chaos führen. Die Frage des richtigen Masses an Kontrolle und Solidaritätsbedingungen hängt allerdings nicht von den technischen Möglichkeiten ab – sondern vom vorherrschenden Menschenbild in einer Gesellschaft: Sehen wir uns eher als eigennützig und träge oder als verantwortungsvoll und selbstbestimmt?

Die GDI-Studie zeigt, weshalb unser Menschenbild oft zu pessimistisch ist und warum mildere Bedingungen für den Zugang zum Solidarsystem durchaus positiv wirken können. Ausserdem zeichnet sie Wege, wie man Menschen zu einem mündigen Umgang mit Solidarität befähigen kann; nämlich indem Datenkompetenzen gestärkt werden und Institutionen geschaffen, die Vertrauen fördern.

Weil Datafizierung Solidarität nicht automatisch fördert oder verhindert, braucht es eine Diskussion über ihren Einsatz. Die neue Studie soll diese Diskussion anregen und helfen, das Gesundheitssystem von morgen mitzugestalten.

Die Studie ist ab dem 25. November 2021 online in Deutsch, Französisch und Englisch als Download erhältlich: gdi.ch/solidaritaet. Bei Fragen oder Interview-Wünschen stehen wir gerne zur Verfügung.

Medienkontakte:

GDI Gottlieb Duttweiler Institute
Alain Egli, Head Communications
Telefon: +41 44 724 62 78
alain.egli@gdi.ch

Politconsulting
Andreas Müller, Mitautor
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andreas.mueller@politconsulting.ch

Stiftung Sanitas Krankenversicherung
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isabelle.vautravers@sanitas.com