Bisher hatten wir nur die Wahl zwischen Privatauto und öffentlichen Verkehrsmitteln. In Zukunft werden sich diese Angebote immer mehr vermischen. Nicht nur die Autos werden hybrid, sondern auch die Märkte. Denn sowohl der Markt für PWs, wie auch der öffentliche Verkehr werden sich in Zukunft in Richtung Car-Sharing bewegen. Das Privatauto wird mittels Car-Sharing sozialer, und der öffentliche Verkehr kann durch die Verbindung mit Car-Sharing besser auf individuelle Bedürfnisse eingehen.
Traditionell standen beim PW das Produkt Auto und der Besitz im Vordergrund, im Unterschied zum Service Public beim öffentlichen Verkehr. Dazwischen gab es noch Taxis und Mietwagen, gewissermassen als öffentliche Privatautos und Autostopp – in den letzten Jahren praktisch ganz von der Bildfläche verschwunden.
Access over ownership
Der Car-Sharing-Markt wächst, und er differenziert sich auch aus: Einerseits treten mehr traditionelle Autohersteller in den Markt ein. Und andererseits wächst auch die Zahl der Vermittlungsdienste für das private Autoteilen und für Mitfahrgelegenheiten. Und bereits heute ist klar: Das ist erst der Anfang, Car-Sharing wird weiter zunehmen, vielleicht gar normaler werden als der Besitz eines Autos.
Im Gegensatz zu rein technischen Innovationen – wie zum Beispiel dem selbststeuernden Auto von Google – liegt der besondere Reiz von Car-Sharing in der Verbindung von technischer, sozialer und ökologischer Innovation. Bisher stand bei Mobilitäts-Innovationen meist die «Hardware» im Vordergrund: Hybrid-Autos, Swissmetro, Flying Car, Space Elevator. Im Unterschied dazu setzt Car-Sharing bei der «Software» an, bei der Art und Weise, wie wir bestehende Verkehrsmittel nutzen. Dies hat den Vorteil, dass die Innovationen bereits heute umgesetzt werden können und nicht erst nach den Jahrzehnten, die es braucht, bis neue Verkehrsmittel marktreif und neue Verkehrswege gebaut sind.
Der Zugang zu Fortbewegungsmitteln wird wichtiger als deren Besitz – und das entspricht einem weltweiten Trend: «access over ownership». Das Smartphone ist der Schlüssel, der uns hilft, unsere Mobilität neu zu organisieren: Autos reservieren, Standplätze suchen, Mitfahrgelegenheiten finden. Das Auto wird gewissermassen zur Peripherie des Handys. Bezeichnenderweise ergab eine Befragung des Beratungsunternehmens Gartner im November 2011, dass für 46 Prozent der 18- bis 24-jährigen jungen Erwachsenen in den USA das Smartphone einen höheren Stellenwert hat als das eigene Auto. «Das iPhone ist der Ford Mustang von heute», kommentierte Gartner-Analyst Thilo Koslowski die Umfrageergebnisse. Andreas Knie vom Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel InnoZ rechnet beim Carsharing denn auch mit einer Verzehnfachung.
Die zahlreichen Car-Sharing-Angebote lassen sich in vier Kategorien ordnen:
Sharing-Ökonomie
Und Car-Sharing ist nur Vorläufer einer umfassenderen Entwicklung, in deren Zentrum das Teilen steht: der Entstehung einer «Sharing-Ökonomie». Teilen und Tauschen wird künftig auch in den Märkten von realen Produkten wachsende Bedeutung gewinnen – soweit sind sich die Trend-Analysten einig. Beispiele für neue erfolgreiche Sharing- und Collaborative-Consumption-Startups gibt es bereits zahlreiche, darunter Kickstarter, Zipcar, Shareable, Etsy, Kiva, Prosper oder Airbnb. Zusammen mit dem Home-Sharing gehört Car-Sharing zu den am schnellsten wachsenden Segmenten dieser neuen Wirtschaftsform. Sie sind in Nischen entstanden und haben im Mobilitäts- und (Zweit-)Wohnungs-Markt neue Realitäten geschaffen.
Der Markt für Car-Sharing ist besonders interessant, weil er weiter entwickelt ist als andere Sharing-Märkte und weil hier viele unterschiedliche Akteure zusammentreffen: Autohersteller und -vermieter, Tauschgemeinschaften, öffentlicher Verkehr und Private. So gehört Car-Sharing inzwischen für alle Autohersteller zum Programm: für Daimler mit Car2Go, für BMW/Sixt mit DriveNow, für VW mit Quicar, für Peugeot mit Mu Peugeot, und GM kooperiert mit RelayRides, einem Peer-to-Peer-Car-Sharing-Service. Es lohnt sich daher, diesen Markt genauer unter die Lupe zu nehmen. Daraus können neue Potenziale für andere Teil- und Tauschmärkte abgeleitet werden.
Die Basis für die neuen Sharing-Märkte bilden soziale, lokale und mobile Netze und Services («SoLoMo»). Solche Netze formen gewissermassen eine digitale Parallelwelt (Augmented Reality) zu den Car-Sharing-Flotten, -Standplätzen und -Fahrten in der physischen Welt. In diesen Netzen hinterlassen alle Nutzer Datenspuren.
Car-Sharing in Blogs und Sozialen Medien – Analyse
Solche Spuren können sehr aufschlussreich sein. Um herauszufinden, welche Trends sich in der neuen Tauschwirtschaft ausbilden, haben wir Datenspuren im Internet, in Blogs und in Sozialen Medien untersucht. Mit Coolhunting-Software der Firma Galaxyadvisors analysierten wir die Car-Sharing-Trends im Web und die sozialen Netzwerkspositionen der wichtigsten Brands und Beeinflusser in den USA und Deutschland.
Die stärksten Car-Sharing-Marken, gemessen an der Popularität in der Blogosphäre. Die Grafik wurde mit der Software Condor erzeugt und zeigt die wichtigsten Marken und ihre Verbindungen in Blogs, die das Wort Car-Sharing enthalten.
Die Gefühle, die mit Car-Sharing verbunden werden, sind überwiegend positiv, wobei Car-Pooling (Mitfahr-Vermittlungsdienste) noch mehr Sympathie geniesst als Car-Sharing. In Deutschland ist Car-Sharing insgesamt stärker präsent und auch beliebter als in den USA.
Die Analyse zeigte: Beim Car-Sharing geht es weniger darum, günstiger von A nach B zu kommen, als primär um den Ausdruck eines neuen Lebensstils. Zwar verstärken steigende Benzinpreise und schrumpfende/unsichere Einkommen den Trend, doch die eigentlichen Treiber des Auto-Teilens sind der Wertewandel und der Aufstieg eines neuen (bewusst bescheidenen) Lebensstils: durch smarteren Konsum mit weniger Geld und umweltschonend besser leben.
In der Blogosphäre wird Car-Sharing und Car-Pooling hauptsächlich im Kontext von Lebensstil, Konsum-Tipps, Technik und Gadgets behandelt. Am populärsten sind die Blogs der «New York Times» (bucks.blog und wheels.blogs), aber auch der Lifestyle-Blog sergetheconcierge.com sowie die Technik-News-Blogs gigaom.com und techcrunch.com sind hier bedeutend.
Die Coolhunting-Analyse zeigt, dass Car-Sharing häufig diskutiert wird im Zusammenhang mit smartem, umweltbewusstem Konsum, mit neuem Hightech-Spielzeug, mit Mobilitäts-Services/Apps aber auch mit Food und Reisen. Begriffe, die eng mit Car-Sharing assoziiert werden, sind: «grün», «Wandel», «Mobilität», «Services», «Elektro-Autos», «besser», «nachhaltig», «social», «Netzwerk». Auch einzelne Städte und Regionen werden häufig erwähnt, was kaum überrascht, da Car-Sharing naturgemäss ortsgebunden ist. So wächst denn die Nachfrage nach Car-Sharing auch vor allem in Städten sehr schnell. Besonders dynamisch entwickelt sich der Markt in Italien, wo das global führende Roadsharing/Mitfahr-Netz Car-Pooling die beeindruckende Zunahme von 76% gegenüber Vorjahr vermeldet.
Wir sind erst am Anfang
Der Car-Sharing-Boom steht erst am Anfang, denn Car-Sharing entspricht dem Lebensgefühl der urbanen, zunehmend umweltbewussteren Bevölkerung mit flexiblen Jobs und wechselhaften Einkommens- und Lebensverhältnissen. Zudem eröffnet Car-Sharing unerschlossene Innovationspotenziale und neue Hoffnungen sowohl für Autohersteller als auch für den öffentlichen Verkehr.
Diese «Sozialisierung» des Privatverkehrs wird erstens angetrieben durch die Mobilitätsbedürfnisse und soziale Lust («sociopleasure») der Jungen, für die gleichzeitig Führerschein und das eigene Auto immer mehr an Bedeutung verlieren. Car-Sharing wird tendenziell zuerst von Menschen genutzt, die selber kein Auto besitzen, weil sie es sich nicht leisten können. Oder von solchen, die kein Auto wollen, weil sie in der Stadt leben; weil ihnen die Unterhaltskosten und Parkgebühren zu hoch sind; oder weil sie sich mit Auto weniger frei fühlen als ohne.
Schliesslich wird auch Autostopp wieder kommen – diesmal viel effizienter und sicherer. Denn mit der richtigen App findet man fast immer, überall und jederzeit eine Mitfahrgelegenheit. Die Fahrten sind transparent, denn die Fahrer und Passagiere sind auf Facebook-, Twitter oder auf ähnlichen Sozialen Netzwerken eingeloggt und registriert, und sie bewerten sich gegenseitig.
Text: Karin Frick, Coolhunting-Analyse: Peter Gloor und Matthäus Zylka