Interview: Anna Handschuh, Head Conferences des GDI
Kaffee gibt’s heute überall. Was macht Coffee Circle anders?
Robert Rudnick: Wir suchen unseren Spitzenkaffee aus Äthiopien jedes Jahr selbst vor Ort aus. Pro verkauftem Kilo Kaffee fliesst ein Euro in unsere Entwicklungsprojekte, die wir gemeinsam mit den Familien der Kaffeebauern festlegen.
Die diesjährige IHT trägt den Titel «Radical Retail». Was heisst das für Sie?
Martin Elwert: Wir gehen an allen Ecken ein Stück weiter, zum Beispiel in Bezug auf die Transparenz: Wir versuchen, ganz konkret zu sagen, was und wie wir etwas tun. Darum dokumentieren Videos auf unserer Website unsere Arbeit eins zu eins. Zudem stehen wir mit unseren Kunden über Facebook und Twitter in intensivem Austausch – das ist Bestandteil unseres Geschäftsmodells. Die Kunden bestimmen auch, welches Projekt sie mit ihrem Kaffeekauf unterstützen möchten.
Robert Rudnick: Radikal sind wir damit letztlich nicht nur bei der Transparenz, sondern auch in unserer direkten Mittlerfunktion zwischen Produzent und Konsument.
Martin Elwert: Wenn man diese Transparenz in der Kommunikation mit dem direkten Einkauf beim Produzenten verbindet, muss man sich nicht mehr hinter Siegeln oder der intransparenten Kommunikation von Kommunikationsabteilungen verstecken. Radikal ist damit auch, wie wir mit unserer unternehmerischen Verantwortung einen Schritt weiter gehen.
Wenn es nicht nur um einen «Reset» der bestehenden Strukturen geht, sondern um einen Strukturwandel der gesamten Handelslandschaft, wie sieht diese dann in zehn Jahren aus? Was wird sich radikal ändern?
Martin Elwert: Komplette Transparenz und Glaubwürdigkeit wird für den Handel unabdingbar sein. Ganz einfach weil Leute über Twitter oder andere Medien sehr schnell Informationen erhalten. Wenn auch nur jemand mal vor einer Fabrik in Kambodscha steht, können zeitgleich alle sehen, ob die Arbeiter dort wirklich so arbeiten, wie es im Corporate-Social-Responsibility-Bericht steht. Das wird mit Sicherheit so ablaufen, denn die Welt wird sich komplett vernetzen. Heute sind es noch meist junge Menschen, die Online praktisch komplett in ihr «Offline-Leben» integriert haben. Bald werden die aber zu reisen beginnen und Geld zu verdienen. Diese Generation informiert sich über ganz andere Kanäle. Da wird es schwer für den grossen Markenhersteller, irgendwelche Bilder zu zeigen und zu behaupten «Pass auf, das ist der beste Kaffee der Welt». Wenn das Blödsinn ist, findet es der vernetzte Konsument blitzschnell raus. Also müssen Händler glaubwürdig sein, sonst geht die Marke kaputt.
Sie sagen, mit den Labels rund um nachhaltigen Konsum sei es nicht getan.
Robert Rudnick: Diese Themen rund um Nachhaltigkeit sind noch lange nicht hoch genug in den Firmen aufgehängt. Das ist ein Modethema, bei dem man mitmacht, aber ehrlich gesagt, ist es dem Management doch total egal. Die basteln sich ein eigenes Fair-Trade-Label, dann steht da ein Abzeichen auf der Packung und das Problem ist vom Tisch. Das merken die Mitarbeiter aber, genauso wie die Kunden. Und eigentlich hätten Sie alle gerne mehr Informationen, was hinter dem Label steckt. Es hat nur keiner Lust, das langwierig selbst herauszufinden.
Martin Elwert: Noch ist es nur ein kleiner Teil der Kunden, der diese völlige Transparenz eines Produktes will. Aber der Handel wird sich darauf einstellen müssen, dass sich das ändert.
Retail 2.0 ist also...
Martin Elwert: ...vielmehr als Vertrieb. Es ist eher ein unternehmerisch neuer Gesamtansatz, der von Transparenz und Verantwortung geprägt ist.
«Ohne Glaubwürdigkeit gehen Marken kaputt»
Gegründet 2010 in Berlin von Martin Elwert, Robert Rudnick und Moritz Waldstein-Wartenberg steht das Berliner Social Business-Start up Coffee Circle heute für Fairen Handel 2.0. Auf der Internationalen Handelstagung 2012 des GDI Gottlieb Duttweiler Institute sprechen die Gründer unter dem Titel «Closing the circle with direct trade – how consumers care about producers» über die Zukunft des fairen Handels und wie Coffee Circle diesen mit ihren Kunden umsetzt. Wir trafen Elwert und Rudnick in ihren Räumen in Berlin: Ein typischer Kreuzberger Hinterhof eines sanierten Industriegebäudes aus der Zeit der letzten industriellen Revolution mit einer bunten Mischung aus Start-Ups und etablierten Agenturen.
6 Juni, 2012
durch
GDI Gottlieb Duttweiler Institute