«American citizens are not just dissatisfied with the performance of particular governments; they are increasingly critical of liberal democracy itself.» Dieses düstere Bild zeichnen die amerikanischen Politikwissenschaftler Fao und Mounk in ihrem Artikel The Signs of Deconsolidation.
Hat die Demokratie tatsächlich ihre Überzeugungskraft verloren? Ist sie als Staatsform nicht mehr erwünscht – oder für Europäer und Amerikaner so selbstverständlich, dass man sich darüber einfach keine Gedanken macht?
Diesen Fragen sind wir nachgegangen und zwar mit Netzwerkanalysen. Mit dem Programm Condor der Firma Galaxyadvisors untersuchten wir, ob, wo und wie über Demokratie im Internet diskutiert wird. Die Software, mit der jährlich auch der Thought Leader Index des GDI ermittelt wird, zeigt zum Beispiel Verlinkungen von Wikipedia-Seiten und macht damit sichtbar, wie wichtig ein Thema ist. Sie kann uns auch eröffnen, welche Webseiten aus der Google-Suche von Bedeutung sind.
Aufgrund bisheriger Erfahrungen mit dem Thought Leader Index wissen wir, dass grosse Nachrichtenunternehmen wie CNN oder die «New York Times» in einem Condor-Netzwerk auftauchen, sobald das untersuchte Thema für die Öffentlichkeit bedeutsam ist. Sind in unserer Webseiten-Analyse keine grossen Online-Medien vertreten, ist das Thema Demokratie für die Öffentlichkeit folglich nicht wirklich wichtig.
Untersucht haben wir die Verlinkung der 50 ersten Webseiten, die bei einer Google-Suche nach «democracy» angezeigt werden. Ausser dem britischen Magazin «The Economist» erscheinen keine grossen Nachrichtenproduzenten, sondern nur thematisch sehr spezifische Webseiten, die bei näherer Betrachtung teilweise wenig professionell sind und kaum Reichweite aufweisen. Demokratie wird in der englischsprachigen Öffentlichkeit also nicht als eigenständiges Thema behandelt.

Wie aber sieht es in anderen Weltregionen aus? Gibt es Erdteile oder Länder, die Demokratie häufiger thematisieren? Hier bietet sich ein Blick auf die Suchanfragen bei Google Trends an. Das Analyse-Tool verrät, wie häufig ein bestimmter Begriff in Google gesucht wird und liefert so eine Ahnung davon, wie wichtig der gesuchte Begriff für die Bevölkerung einer bestimmten Region ist.
Die untenstehende Grafik veranschaulicht eindrücklich, dass der englische Begriff «democracy» in den USA und Europa weniger häufig gesucht wird als in anderen Ländern: Je dunkler das Blau, desto intensiver wird gesucht. Ganz oben rangieren Staaten aus Zentral- und Ost-Afrika, Mittel- und Südamerika sowie aus Indonesien.
Auffällig ist, dass die meisten dieser Länder im Democracy Index sowie im Corruption Perception Index keine Bestnoten erhalten. Es scheint, dass Menschen in Staaten ohne (gefestigte) Demokratie häufiger über Demokratie sprechen.
Dass Demokratie aber auch im Westen einmal Thema war, macht der Google N-Gram Viewer sichtbar. Der Online-Zähler zeigt die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Wort in der Online-Bibliothek Google Books auftaucht – von 1500 bis 2008. Wir haben entschieden, englischsprachige Bücher aus dem Zeitraum von 1800 bis 2008 zu analysieren. Als Vergleichswert haben wir den Begriff «Internet» und «Bible» mit hinzugefügt.
Äusserst aufschlussreich ist die Tatsache, dass Demokratie anscheinend grundsätzlich nie besonders viel Aufmerksamkeit erhielt, vergleicht man das Thema mit dem Internet oder der Bibel. Aber wir sehen auch, dass mehr über Demokratie geschrieben wird, je schlechter es um die Welt steht: Mitten in den Wirren des zweiten Weltkrieges wurde Demokratie in so vielen Büchern behandelt, wie seither nie mehr.
Wenn Demokratie heute nicht als eigenständiger Gegenstand diskutiert wird, müssen wir uns fragen, ob der Begriff vielleicht einfach in anderen Diskursen unterschwellig Thema ist. Das zeigt uns eine Analyse von Wikipedia-Seiten.
Längst erklärt uns nämlich Wikipedia die Welt und gilt wohl als das Standard-Nachschlagewerk schlechthin. Wenn wir wissen, wo der Begriff Demokratie in der Wikipedia auftaucht, können wir vermuten, welche Wissensgebiete für das Konzept der Demokratie wichtig sind.
Mit der Galaxyadvisor-Software Condor können wir die Beziehungen zwischen verschiedenen Wikipedia-Seiten sichtbar machen. Dadurch sehen wir, wie die Wikipedia-Seite für «democracy» mit anderen Begriffs- und Personen-Seiten verbunden ist, wo sich thematische Cluster bilden und wie wichtig einzelne Seiten für das Thema Demokratie sind.
Durch eine Cluster-Berechnung zeichnen sich deutlich fünf Themengebiete im Netzwerk ab, die alle unterschiedliche Aspekte von Demokratie ins Zentrum stellten:
Es stellt sich jetzt die Frage, wie aktiv die in der Wikipedia gefundenen Themengebiete heute diskutiert werden. Sind das Wissensgebiete, die weiter entwickelt werden und Neues hervorbringen, oder wird altes Wissen nur repliziert?
Um diese Frage zu klären, haben wir uns die Seiten genauer angesehen, auf denen Personen beschrieben werden: Die untenstehend violetten Knoten bezeichnen Denker rund um das Thema Demokratie, die bereits verstorben sind. Noch lebende Denker sind blau gekennzeichnet.
Ganz eindeutig ist Demokratie in der Wikipedia ein Themengebiet, das hauptsächlich durch Ideen toter Denker geprägt ist – mit wenigen Ausnahmen: viele Denker, die den Diskurs über Jugendwahlrecht anführen, sind noch am Leben (rechtes, kleines Cluster).
Auch unter den Denkern, die in unserem Netzwerk am ehesten der politischen Philosophie oder der Gesellschaftswissenschaft zuzuordnen sind, leben einige noch. Darunter der Linguist und politische Aktivist Noam Chomsky, der französische Philosoph Alain Badiou und der emeritierte österreichische Professor für Philosophie, Hans Köchler.
Demokratie ist also in der Wikipedia kein Thema, das durch heute lebende Denker vorangetrieben wird – mit Ausnahme des Themas «Jugend und Wahlrecht».
Über Demokratie als eigenständiges Thema spricht die englischsprachige Öffentlichkeit nicht. Das haben wir durch unsere Netzwerkanalyse von Webseiten gesehen. Google Trends zeigt aber, dass es sehr wohl Staaten gibt, in welchen sich die Bevölkerung aktiv mit dem Thema Demokratie auseinandersetzt. In diesen Ländern steht es um die Demokratie jedoch viel schlechter als in den USA und Europa.
Die Analyse mit dem Google N-Gram Viewer macht deutlich, dass auch der Westen früher einmal viel interessierter an Demokratie war als heute: mitten im zweiten Weltkrieg, als funktionierende Demokratien Mangelware waren.
Eine Analyse der wechselseitigen Verlinkungen rund um das Thema Demokratie in der Wikipedia hat uns zudem eröffnet, dass wir es mit einem «toten» Thema zu tun haben. Es werden die Ideen verstorbener Philosophen diskutiert, Konzepte erörtert und Denk-Traditionen aufgezeigt. Aber es passiert wenig Neues – ausser im Wissensbereich «Jugend und Wahlrecht».
Unsere Ergebnisse bestätigen die These der Politikwissenschaftler Fao und Mounk. Sie liefern eine mögliche Erklärung dafür, weshalb die Menschen in den USA und Europa einer liberalen Demokratie zunehmen kritisch gegenüberstehen: Wir interessieren uns nicht für Demokratie als Thema und sprechen demnach auch nicht darüber, weil wir unsere Demokratien heute als selbstverständlich betrachten. Und wenn wir über Demokratie sprechen, dann geht es selten um die Demokratie als solche – sondern über Fake News, den Front National oder ein Burka-Verbot.
Diese gesamte Entwicklung ist aber keineswegs Teil eines linearen Zerfalls der Demokratie. Die Geschichte zeigt, dass das Interesse an Demokratie sprunghaft ansteigen kann, sobald Bürger anhaltendem Druck ausgesetzt sind.
Ob auch hierzulande wieder vermehrt über Demokratie diskutiert wird, bleibt dabei eine Hypothese – die aber nach den jüngsten politischen Grossereignissen in den USA, Grossbritannien und Frankreich zunehmend wahrscheinlicher wird.
Am 29. Mai 2017 diskutieren wir mit Tyler Cowen, einem der brilliantesten Ökonomen der USA, und Parag Khanna, Geostratege und ehemaliger Berater der US-Regierung, das Thema: Trägheit, Stillstand, Populismus: Pflegefall Demokratie.
Wenn Demokratie heute nicht als eigenständiger Gegenstand diskutiert wird, müssen wir uns fragen, ob der Begriff vielleicht einfach in anderen Diskursen unterschwellig Thema ist. Das zeigt uns eine Analyse von Wikipedia-Seiten.
Längst erklärt uns nämlich Wikipedia die Welt und gilt wohl als das Standard-Nachschlagewerk schlechthin. Wenn wir wissen, wo der Begriff Demokratie in der Wikipedia auftaucht, können wir vermuten, welche Wissensgebiete für das Konzept der Demokratie wichtig sind.
Mit der Galaxyadvisor-Software Condor können wir die Beziehungen zwischen verschiedenen Wikipedia-Seiten sichtbar machen. Dadurch sehen wir, wie die Wikipedia-Seite für «democracy» mit anderen Begriffs- und Personen-Seiten verbunden ist, wo sich thematische Cluster bilden und wie wichtig einzelne Seiten für das Thema Demokratie sind.

Durch eine Cluster-Berechnung zeichnen sich deutlich fünf Themengebiete im Netzwerk ab, die alle unterschiedliche Aspekte von Demokratie ins Zentrum stellten:

Es stellt sich jetzt die Frage, wie aktiv die in der Wikipedia gefundenen Themengebiete heute diskutiert werden. Sind das Wissensgebiete, die weiter entwickelt werden und Neues hervorbringen, oder wird altes Wissen nur repliziert?
Um diese Frage zu klären, haben wir uns die Seiten genauer angesehen, auf denen Personen beschrieben werden: Die untenstehend violetten Knoten bezeichnen Denker rund um das Thema Demokratie, die bereits verstorben sind. Noch lebende Denker sind blau gekennzeichnet.
Ganz eindeutig ist Demokratie in der Wikipedia ein Themengebiet, das hauptsächlich durch Ideen toter Denker geprägt ist – mit wenigen Ausnahmen: viele Denker, die den Diskurs über Jugendwahlrecht anführen, sind noch am Leben (rechtes, kleines Cluster).
Auch unter den Denkern, die in unserem Netzwerk am ehesten der politischen Philosophie oder der Gesellschaftswissenschaft zuzuordnen sind, leben einige noch. Darunter der Linguist und politische Aktivist Noam Chomsky, der französische Philosoph Alain Badiou und der emeritierte österreichische Professor für Philosophie, Hans Köchler.
Demokratie ist also in der Wikipedia kein Thema, das durch heute lebende Denker vorangetrieben wird – mit Ausnahme des Themas «Jugend und Wahlrecht».
Über Demokratie als eigenständiges Thema spricht die englischsprachige Öffentlichkeit nicht. Das haben wir durch unsere Netzwerkanalyse von Webseiten gesehen. Google Trends zeigt aber, dass es sehr wohl Staaten gibt, in welchen sich die Bevölkerung aktiv mit dem Thema Demokratie auseinandersetzt. In diesen Ländern steht es um die Demokratie jedoch viel schlechter als in den USA und Europa.
Die Analyse mit dem Google N-Gram Viewer macht deutlich, dass auch der Westen früher einmal viel interessierter an Demokratie war als heute: mitten im zweiten Weltkrieg, als funktionierende Demokratien Mangelware waren.
Eine Analyse der wechselseitigen Verlinkungen rund um das Thema Demokratie in der Wikipedia hat uns zudem eröffnet, dass wir es mit einem «toten» Thema zu tun haben. Es werden die Ideen verstorbener Philosophen diskutiert, Konzepte erörtert und Denk-Traditionen aufgezeigt. Aber es passiert wenig Neues – ausser im Wissensbereich «Jugend und Wahlrecht».
Unsere Ergebnisse bestätigen die These der Politikwissenschaftler Fao und Mounk. Sie liefern eine mögliche Erklärung dafür, weshalb die Menschen in den USA und Europa einer liberalen Demokratie zunehmen kritisch gegenüberstehen: Wir interessieren uns nicht für Demokratie als Thema und sprechen demnach auch nicht darüber, weil wir unsere Demokratien heute als selbstverständlich betrachten. Und wenn wir über Demokratie sprechen, dann geht es selten um die Demokratie als solche – sondern über Fake News, den Front National oder ein Burka-Verbot.
Diese gesamte Entwicklung ist aber keineswegs Teil eines linearen Zerfalls der Demokratie. Die Geschichte zeigt, dass das Interesse an Demokratie sprunghaft ansteigen kann, sobald Bürger anhaltendem Druck ausgesetzt sind.
Ob auch hierzulande wieder vermehrt über Demokratie diskutiert wird, bleibt dabei eine Hypothese – die aber nach den jüngsten politischen Grossereignissen in den USA, Grossbritannien und Frankreich zunehmend wahrscheinlicher wird.