Der Chef, der nicht auf die guten Ideen seiner Anstellten eingeht will; der Kollege, der sein grosses Fachwissen nur ungern teilt; das Unternehmen, das seinen Erfolg am Misserfolg der Konkurrenz misst: Unser Wirtschaftssystem ist geprägt von der Kompetition. Die klassische Ökonomie erklärt das damit, dass es das Ziel des Menschen sei, stets seinen eigenen Nutzen zu maximieren. Deshalb lägen wir im ständigen Konflikt mit andern, deshalb die Machtspiele, Egokriege und Tyrannei allenthalben.
Dabei wären wir als Menschen geradezu prädestiniert, andere Formen des Zusammenlebens zu finden als den ständigen Wettstreit. Das sagt der Verhaltensökonom Professor Matthias Sutter. Mit seiner Forschungsarbeit zeigt Sutter, dass bei menschlichen Entscheidungen auch Faktoren wie Fairness und Emotionen wie Ärger zählen. Der als «österreichischer Forscher des Jahres» nominierte Wissenschafter weist darauf hin, dass immer mehr Menschen in Unternehmen Erfolge erzielen, weil sie mit Kooperation führen. Wie das funktioniert, das erzählt Sutter am 6. Februar 2013 im GDI – und hier im Interview:
Unser Wirtschaftssystem basiert auf der Kompetition. Den Arbeitsalltag kennen viele Menschen nur als Dschungelkampf: Sie sagen nun, wir sollten vermehrt auf Kooperation setzen. Warum?
Der Mensch ist das einzige Wesen, das in grossen Gruppen kooperieren kann, selbst wenn die Mitglieder einer Gruppe nicht verwandt sind. Im gesamten Tierreich gehts darum, die eigenen Gene voranzubringen und seine Art am überleben zu halten. Beim Menschen hat sich der soziale Instinkt herausgearbeitet, dass Zusammenarbeiten von grossem Vorteil sein kann. Das Problem der Kooperation besteht darin, dass es vielfach Anreize gibt, sie nicht auszuüben und stattdessen zu hoffen, dass alle andern es tun.
Wie kann eine Zusammenarbeit trotzdem gelingen?
Soziale Normen spielen eine grosse Rolle. Einer meiner Mitarbeiter hat ein Feldexperiment unternommen: Er ist auf der Rolltreppen in der U-Bahn auf der falschen Seite gestanden, im Gegensatz zur sozialen Norm «Rechts stehen, links gehen». Er hat untersucht, ob ihn Leute darauf hinweisen, dass er eine soziale Norm bricht. Etwa zehn Prozent der Leute taten das. Wir brauchen genau diese Leute, damit das soziale Zusammenleben bestehen bleibt. Zusammenleben funktioniert über ein gemeinsames Werteverständnis, und damit es am leben bleibt, braucht es jemand, der das im täglichen Miteinander immer wieder einklagt.
Was bedeutet das für Chefs ?
Die Forschung zeigt, dass Menschen sogenannte «konditionale Kooperierer» sind: Sie sind gewillt, mit andern an einem Strang zu ziehen, wenn sie sehen, dass es die andern auch tun. Oft reicht es sogar, wenn sie es nur erwarten, dass die andern das auch tun. Leadership ist erfolgreicher, wenn der Chef oder ein Mitglied der Gruppe ein gutes Vorbild abgibt.
Wer erfolgreich führen will, muss also eine Situation schaffen, in der die Mitarbeiter voneinander Kooperation erwarten.
Ja, wenn die Leute sehen, dass einer mit positivem Beispiel vorangeht, dann steigt die Bereitschaft sich ebenfalls an vereinbarte Ziele und Werte zu halten.