In Ihrem neuesten Buch «Vertical» schreiben Sie, dass unsere Welt nicht mehr als zweidimensionale Karte dargestellt werden kann. Warum?
Weil wir auf einer zweidimensionalen Karte nur verstehen, was an der Oberfläche stattfindet. Das städtische Leben passiert, auch wenn es auf die Oberfläche fokussiert ist, in und durch eine dritte Raumdimension: von den Umlaufbahnen der Satelliten über die höchsten Türme, hin zur komplexen, unterirdischen Welt und zu den tiefsten Minen (die vier- oder fünfmal tiefer in die Erde reichen, als die höchsten Wolkenkratzer in die Lüfte ragen). Jeder, der eine herkömmliche 2D-Karte in Hongkong benutzt merkt schnell, dass diese fast nutzlos ist. Karten können die komplexen dreidimensionalen Strukturen, wie Hochwege und Aufzüge, der vertikalsten Stadt der Welt nicht abbilden.
In der digitalen Welt der Zukunft werden wir unsere Häuser nicht mehr verlassen müssen, um uns mit Freunden zu treffen oder einkaufen zu gehen. Welche Rolle werden die Orte und Ebenen einer Stadt dann spielen?
Städte und physische Räume werden immer die zentralen Bereiche sein, in denen Dinge stattfinden, die nicht durch das Digitale vermittelt werden können. Trotz der wachsenden Macht der Telekommunikation werden Aktivitäten, die Vertrauen, Sexualität, Essen, Mode und Live-Musik, -Kunst, -Veranstaltungen, -Sport involvieren, weiterhin hauptsächlich an physischen Plätzen stattfinden. Tatsächlich werden digitale Medien urbane Plätze wiederbeleben anstatt sie zu ersetzen. Körper, Strassen, Nachbarschaften, Autos, Städte etc. bekommen dank der digitalen Medien neue Funktionen und organisieren städtisches Leben neu. Uber ist ein Beispiel dafür.
Sie beschreiben einen «Klassenkampf von oben» in dem die Privilegierten sich in Wohntürme, Hotels und Dachgärten zurückziehen. Was bedeutet das für die Immobilienbranche?
Die wachsenden Ungleichheiten in den wichtigsten «globalen» Städten der Welt, kombiniert mit dem Überschuss an Investitionen der Superreichen dieser Welt und dem Preisaufschlag, der für Penthäuser in Rechnung gestellt werden kann, führen dazu, dass sich die Immobilienbranche stark auf dieses Klientel konzentriert. Vor allem in London und New York lohnt es sich Super-First-Class-Wohntürme für diese Zielgruppe zu errichten. Oft sind diese Immobilien nichts weiter als Investments, die aus der Ferne bestellt werden. Dies hat Konsequenzen für die Wohnsituation der schlechter Verdienenden. Sie sehen sich einer wachsenden Wohnungsnot gegenüber, trotz der Bauprojekte in den Städten, die «Hoffnung» geben sollen. Die Luxustürme der Eliten beherbergen Kapital statt Menschen. Ihre Besitzer wohnen in den seltensten Fällen darin, viele der Wohnungen sind verwaist.
Gibt es ein vertikales Limit für Städte?
Interessanterweise sagen Ingenieure, dass aktuell die Lifttechnologie die Höhe von Wolkenkratzern beschränkt. Mit neuen Liften aus Karbon oder mit magnetischem Antrieb wird es möglich sein, in einer Fahrt einen oder anderthalb Kilometer zurückzulegen. Aktuell liegt das Maximum bei ungefähr 500 Metern, da sonst die Stahlkabel der Lifte zu schwer würden. Schon heute werden Türme designt, die anderthalb Kilometer hoch sind.
Am GDI-Trendtag vom 15. März 2017 wirft Stephen Graham einen vertikalen Blick auf das städtische Leben. Jetzt anmelden!