David Bosshart: «Wir können immer mehr, aber wissen immer weniger, was wir wollen»
Wir sollten nicht mehr optimieren, sondern müssen den Mut haben, uns etwas Neues einfallen zu lassen. Die Technik heute ist ein Können, dass ein Wollen sucht: Wir können immer mehr, aber wissen immer weniger, was wir wollen. Das Gehirn wird zur wichtigsten Schnittstelle in den nächsten Jahren. Wer den Zugang zur Schnittstelle verliert, verliert den Zugang zum Konsumenten. Frage: Wo bringt eine menschliche Schnittstelle noch Kundenmehrwert, wo nicht? Die Welt wird nicht menschlicher, bloss weil wir die Potentiale der Roboter nicht ausschöpfen. Wir erleben in Zukunft eine Verdoppelung der Welt: Die «wirkliche» Realität und die Realität auf Bildschirmen. Das bedeutet: Es wird nichts mehr geben, das es nicht geben wird. Trotz der heutigen Vernetzung sind wirklich innovative Kooperationen schwerer geworden, weil wir uns in Filterblasen nur mit Unseresgleichen abgeben.
Tim Wu: «Bequemlichkeit Aufmerksamkeit, Daten: das sind die Monopol-Macher unserer Zeit»
Wirtschaftlicher Wettbewerb im 21. Jahrhundert heisst, die Aufmerksamkeit der Menschen zu gewinnen. Vielen Startups mit einer grossartigen Idee fehlt zum Erfolg die Aufmerksamkeit der Menschen. Aufmerksamkeit ist der ultimative Gatekeeper für den Handel. Facebook, Google, Amazon und Co. nutzen mächtige Tricks, um unsere Aufmerksamkeit zu bekommen. Der Kampf um unsere Aufmerksamkeit dreht sich darum, welche Plattformen die Menschen besuchen, wo sie sich anmelden (und wohin sie zurückkehren), und von welcher Plattform sie abhängig werden. In den USA entwickelt sich eine Gegenbewegung, die den grossen Plattformen bewusst entsagt und Facebook, Google, etc. nicht mehr nutzt. Es ist ein Kampf: wir gegen die talentiertesten Entwickler der Welt. Bequemlichkeit entscheidet alles. Unbequeme Optionen haben keine Chance. Wer wird in Zukunft Erfolg haben? Bequemlichkeit, Aufmerksamkeit und Daten: Wer diese drei Grössen beherrscht, wird gewinnen. Es braucht viel Disziplin, um seine Aufmerksamkeit nicht ganz aus der Hand zu geben, beispielsweise mit monitorfreien Räumen oder Zeiten.
Aleksandra Przegalinska: «Wir wollen Systeme, die Bias vermeiden»
Landwirtschaft, Fintech, Rechtsprechung, Logistik, alle Bereiche des Lebens werden von Künstlicher Intelligenz verändert. Und: KI-Anwendungen, wie wir sie heute kennen, werden grössere Kompetenzen erhalten. Alexa wird nicht mehr nur zum Shopping eingesetzt werden, das Können des GO-Champions Alpha Go Zero wird nicht mehr nur für das Spiel genutzt.
Wir müssen aber noch das «Uncanny Valley», den Gruselgraben in der Interaktion mit der Technik, überwinden. Wenn Roboter Menschen zu sehr ähneln, bekommen wir Angst vor Ihnen. Dies hat Przegalinska mit unterschiedlichen Experimenten nachgewiesen. Menschen waren entspannter, wenn sie mit einem Text-Chatbot interagierten, als mit einem Bot mit Gesicht und menschlicher Sprache. Was Przegalinska ebenfalls herausfand: Chatbots ändern ihre Meinung, je nach politischer Haltung ihres Gegenübers. Expertise, Sicherheit der Daten, menschenähnliches Verhalten, Ehrlichkeit, Berechenbarkeit und Kontrolle beeinflussen das Vertrauen in Chatbots. Menschen wollen Systeme, die einen Bias vermeiden. Medizin und Gesundheitswesen sind zwei der wichtigsten Bereiche, die KI in den nächsten Jahren revolutionieren wird.
Joerg Zuber: «Noonoouri ist wie eine Schwester für mich, ich muss mich jetzt einfach um sie kümmern»
Vor acht Jahren zeichnete Joerg Zuber zum ersten Mal den digitalen Charakter Noonoouri. Sieben Jahre warb er erfolglos bei verschiedenen Investoren für eine Kooperation, zur Fashion Week 2018 gelang der Durchbruch. Seitdem hat Noonouri 250 000 Follower auf Instagram gewonnen, arbeitet jetzt mit Marken wie Dior und Versace zusammen und ziert Modezeitschriften wie «Cosmopolitan» und «Vogue». Stars wie Kim Kardashian und Naomi Campbell unterstützen Noonouri, weil sie keine «echte» Konkurrenz darstellt. Für ein Instagram-Post brauchen Zuber und sein Team bis zu drei Tage, für ein Videoanimation zwei bis acht Wochen.
Roman Hirsbrunner: «Daten bringen Menschen und Marken näher»
Kommunikation ist Interaktion. Interaktion braucht Infrastruktur und Relevanz. Relevanz entsteht durch Nähe, Daten schaffen Nähe. Lange Zeit war die Infrastruktur für Interaktion der Ort, an dem wir uns befanden. Das ändert sich fundamental durch: Automatisierung, Dynamik, Hyper-transparenz, Hyper-Individualisierung. Daten bringen Menschen und Marken näher. Worte verlieren an Bedeutung, Daten gewinnen an Bedeutung, z.B. durch Intent-Marketing.
Carl Guyenette: «Das bringt das Theater auf ein neues Level. Und das Kino. Und das Bühnenerlebnis»
Guyenette baut Virtual-Reality-Welten in London, in denen sich Personen auf eine Zeitreise begeben. Das immersive Erlebnis nimmt die TeilnehmerInnen mit in eine Welt, in der sie Rätsel lösen und mit Hologrammen interagieren. Guyenette finanzierte sein erstes Projekt selbst, mittlerweile ist er so erfolgreich, dass er mit Investoren zusammenarbeitet.
Tim Llewellyn: «AI kann besser Gefühle erkenen, als wir Menschen»
Emotionen-Analysen nutzen maschinelles Lernen, um Gefühle im menschlichen Gesicht zu erkennen. Es braucht unglaublich viele Beispiele, um künstlicher Intelligenz die sechs häufigsten menschlichen Gesichtsausdrücke beizubringen. KI kann besser als der Mensch Emotionen in menschlichen Gesichtern ablesen. Dies kann beispielsweise die Werbeindustrie nutzen, um Emotionen ihrer Zielgruppe zu messen. In der Medizin können dann aber auch Emotionen wie Schmerz bei Demenz-Patienten oder Babys erkannt werden. In der Autoindustrie wird die Emotionserkennung dafür eingesetzt zu erkennen, wann ein Lenker abgelenkt ist oder um einen Autohalter zu identifizieren. Robo-Advisors unterstützen in der Bankenindustrie die Beratung für Kreditinteressierte. Je mehr die Endnutzer von einer Anwendung profitieren, desto schneller durchdringt sie den Markt.
Jowan Österlund: «Gibt es einen besseren Ort für Kontrolle, als die eigene Hand?»
Jowan Österlund trägt seinen Pass, sein Portemonnaie und seine Schlüssel unter der Haut, gespeichert auf einem implantierten Chip. Die Daten werden auf der Blockchain gesichert, sodass sie sicher sind und nicht von Dritten verwendet werden können. Mit seiner Firma «Biohax International» bietet er eine digitale Identität an, die global eingesetzt werden kann. Das Internet der Dinge wird zum «Internet von uns». Biometrische Daten als Zugangssicherheit sind schlechte Alternativen. Wenn Iris-Muster oder Fingerabdrücke gestohlen werden, kann man sie nicht austauschen. Mit Mikrochips ist das möglich.
Olga Yurkova: «Share facts, not emotions»
Olga Yurkovas gründete ihren Blog gegen russische Fake-News während der Krim-Annexion 2014. Heute gibt es ihn in 13 Sprachen. Das unabhängige Projekt entlarvte bisher mehr als 1000 Fake-News, die meisten davon sind laut Yurkova russischen Ursprungs. Die Russische Propaganda ist raffinierter geworden. Tausende von Onlineprofilen werden genutzt, um Fake-News zu verbreiten. Wenn Fakten falsch sind, werden auch falsche Entscheidungen getroffen. Yurkovas Empfehlung daher: «Teilen Sie Fakten, keine Emotionen. Fake-News können Leben zerstören.» Demzufolge kann der Kampf gegen Fake-News Leben retten. Den Informationskrieg kann stopfake.org nicht gewinnen, aber es kann das Bewusstsein für das Problem stärken.
David J. Linden: «Menschen haben mindestens neun Sinne, eher mehr»
Unsere Sinne sind nicht dafür gedacht, uns ein exaktes Abbild der Welt wiederzugeben. Wir schauen durch ein Schlüsselloch des Wahrnehmbaren. Vor allem sollen unsere Sinne soziale Informationen wie Klang der Stimme oder die Richtung des Blicks verarbeiten. Wahrnehmung und Gefühle sind immer verbunden. Unsere Sinne sind dafür ausgerichtet, Veränderungen wahrzunehmen und zu vergleichen, nicht das absolute Level an Stimuli widerzugeben. Unsere Wahrnehmung ist stark beeinflusst vom Kontext und unserer Erwartung. Zehn gewonnene Dollar können gut oder schlecht sein, je nachdem, wieviel unser Nachbar gewonnen hat. Der Mensch hat mindestens neun Sinne. Diese sind auch nach innen gerichtet wie die Wahrnehmung des Hunger.
José del R. Millán: «BCIs werden vorraussehen, was der Patient als nächstes tun will (oder nicht)»
José del R. Millán forscht an Gehirn-Maschine-Schnittstellen, die es körperlich beeinträchtigten Menschen möglich machen, Roboter zu steuern. Intelligente Neuroprothesen erkennen, wenn der Patient über sein Gehirn einen falschen Befehl sendet und korrigieren ihn. KI errät, was der Patient erreichen möchte. Die grössten Herausforderungen heute sind die Sensoren der Rollstühle, oder Computerdisplays, die vom wechselnden Tageslicht beeinflusst werden.