«Sustainable fashion» wird zum Trend, trotzdem ist das Thema vielen Leuten noch nicht bekannt. Was müssen wir uns unter nachhaltiger Mode vorstellen?
Da müssen wir zwischen der Hersteller- und der Konsumentenseite unterscheiden. Auf Seiten der Produktion steht «sustainable fashion» zum einen für Kleider aus biologisch hergestellten Fasern, zum Beispiel Bio-Baumwolle und Bio-Leinen. Dann spielt Recycling eine grosse Rolle: Zum einen können Textilfasern recycelt werden. Aber auch später in der textilen Kette kann wiederverwertet werden, wenn man aus vorhandenem Material neue Kollektionen kreiert. Weiter muss man sich als Hersteller von nachhaltiger Mode überlegen, welche Chemikalien man in der Produktion einsetzt. Natürlich geht es bei dem Thema auch um soziale Aspekte. Nachhaltige Mode verlangt nach menschenwürdigen Arbeitsbedingungen und gerechten Löhnen. Grob gesagt geht es bei «sustainable fashion» um Bio, Recycling und Sozialkriterien.
Und was bedeutet der Begriff auf Seiten der Konsumenten?
Die können sich Fragen zu ihrem Konsumverhalten stellen: Wie schnell konsumiere ich wie viel und was? Da wird Qualität zum Thema: Wie langlebig sind meine Kleider, wie lange trage ich sie? Und was mache ich mit ihnen, wenn ich sie nicht mehr brauche? Werfe ich sie weg? Bringe ich sie an eine «swapping party», oder vererbe ich sie meinen Kindern?
Sie sind in Deutschland eine Pionierin des Themas nachhaltige Mode, haben den Greenshowroom mitbegründet. Wie sind Sie eigentlich dazu gekommen?
Ich bin relativ kritisch erzogen worden, und das Thema Nachhaltigkeit war mir bereits früh wohlbekannt. Nach meinem Modedesign-Studium habe ich mir die klassischen Sinnfragen gestellt wie: Was ist mir eigentlich wichtig? Da hat sich das Thema nachhaltige Mode aus dem Hinterkopf gemeldet.
«Sustainable fashion» ist zwar der Nische entkommen, aber noch nicht so omnipräsent wie Bio-Food. Wird ein steigender Druck von Seiten der Konsumenten ausreichen, damit sich das ändert?
Ich finde, die Konsumenten sollten dafür eigentlich nicht die ganze Verantwortung tragen müssen. Sondern eher jene, die Umweltverschmutzung und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen verursachen. Und es gibt ja einige Mittel, um die Wirtschaft zum Umdenken zu bewegen. Nebst den Konsumentinnen und Konsumenten sind es die NGOs und kritische Journalisten, die Druck ausüben, indem sie Skandale aufdecken oder mit Konzernen verhandeln, wie z.B.: «Greenpeace Detox» oder die «Clean Clothes Campaign». Zu guter Letzt ist dann aber schon auch die Politik gefragt entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Denn eigentlich sollten Konsumenten nicht wählen müssen zwischen nachhaltigen und nicht-nachhaltigen Produkten. Eigentlich sollten ja alle Produkte «nachhaltig» sein.
Sehen Sie Anzeichen dafür, dass sich auf Konsumentenseite ein Bewusstsein für nachhaltige Mode entwickelt?
Ich sehe die Anzeichen für den Wandel vor allem in der Unternehmerszene. Es gibt schon viele neue Brands, die sich über das Thema verkaufen. Die erzeugen so einen gewissen Druck auf die Fast-Fashion-Ketten, denn die sehen, dass die Arbeiten der jungen Designer oft was mit Nachhaltigkeit zu tun haben. Und zum Teil setzen die grossen Ketten diesen Trend auch schon in ihren Kollektionen um.
Gerade bei Grosskonzernen droht die Gefahr, dass die Nachhaltigkeits-Selbstverpflichtungen eigentlich Greenwashing sind. Wie können sich Konsumentinnen und Konsumenten dagegen wappnen?
Nachhaltigkeitsbewertungen sind sehr komplexe Angelegenheiten, da gilt es den ganzen globalen Fussabdruck eines Produktes beachten. Gerade, wenn ein Produkt zehn Produktionsstufen durchgegangen und einmal um die Welt gereist ist, ist es extrem schwierig herauszufinden, wie viel Wasser, Energie und Ressourcen es verbraucht hat – und die Ergebnisse mit einem anderen Produkt abzuwägen. Darum ist das Thema Nachhaltigkeit auch eine Vertrauenssache. Unabhängige Zertifizierer können hier helfen. Allerdings besteht das gleiche Problem im Foodbereich, wo die meisten Konsumenten ebenso nicht wirklich wissen, wie «bio» ein Produkt ist und welche Richtlinien hinter einem Siegel liegen.
Der Wandel, sagen Sie, findet vor allem auf Herstellerseite statt. Weil man nachhaltige Mode zu höheren Preisen verkaufen kann?
Nachhaltige Produkte sollen Gewinn abwerfen dürfen. Wer seine Produktionskette auf Nachhaltigkeit umstellt, gewinnt oft an Effizienz und kann daher größere Gewinne erzielen. Das muss allerdings nicht immer die einzige Motivation sein, es gibt durchaus Firmen, die nachhaltiges Wirtschaften in ihrer Philosophie verankert haben.
Trotzdem: Ist nachhaltige Mode ein Luxustrend für die Mittelklasse?
Es ist wichtig, dass die wohlhabenden Gesellschaftsschichten damit anfangen, denn sie haben einen grösseren Einfluss auf die Umwelt. Wer grosse Autos fährt, Fernreisen macht, viel konsumiert und viel Essen geht, verbraucht viel mehr Ressourcen als jemand, der sparen muss. Darum ist es sinnvoll, den Hebel hier anzusetzen. Die Mittelklasse war es auch, die dem Bio-Food zum Durchbruch verholfen hat. Aber: Wer wenig Geld hat und sich trotzdem nachhaltig kleiden möchte, schafft das mittlerweile auch.