«Wandel beginnt in uns»

Bei aller Vernetzung: Wir müssen wieder Eigenverantwortung übernehmen! 10 Thesen - letzter Teil.
4 March, 2012 by
«Wandel beginnt in uns»
GDI Gottlieb Duttweiler Institute
 

7. Babyboomer müssen digital integriert werden

Die Architektur der neuen Systeme, die unsere Welt immer stärker prägen, entwickelt sich weg von der grossen, geschlossenen Kathedrale und hin zu einem offenen Bazar. Nicht schön, aber schnell und flexibel. Etwas existiert, wenn es online erscheint und sich in seiner Unbestimmtheit und Offenheit weiterentwickeln kann.

Wen betrifft das? Alle. Die Generation X (Geburtsjahrgänge 1965-75) stand bereit, die Spitzenpositionen in den Kathedralen einzunehmen und ist nun ganz unvorbereitet für diesen Basar. Die screenagers der Generation Y (1976-95) sind mit ihm gross geworden und wissen, dass sie nur noch über Tätigkeit und Interaktivität, Feedback und Lust an der Kommunikation weiterexistieren werden. Die politisch dominierende Kraft werden über die nächsten 20 Jahre aber weiterhin die Babyboomer sein. Dass diese langsam lernen, die neuen Tools anzuwenden, ist ein gutes Zeichen. Solange sie permanente „digitale Immigranten“ bleiben wollen, besteht Hoffnung, dass der radikale Wandel auch gelingen wird.

8. Wir brauchen hybride Lösungen für hybride Konsumenten

Die Zeit der grossen Lösungen und der vorgefertigten Antworten ist vorbei. Was wir vermehrt brauchen und immer wichtiger wird, sind fragmentierte und hybride Lösungen. Zum Beispiel die Zürcher Verkehrsbetriebe: Ihr „Ich bin auch ein Schiff/Bus/usw.“-Konzept integriert auf einfache Weise ein Mobilitätsangbeot, das sich immer mehr fragmentiert. Jetzt fehlen nur noch Taxis, Mietwagen und Fahrräder.

Bei hybriden Lösungen geht es darum, scheinbar widersprüchliche Ideen oder Konzepte zusammenzubringen. Hybride Software, die auf unterschiedlichen Betriebssystemen läuft, ist heute unabdingbar. Denn der hybride Konsument ist längst ein Massenphänomen, und das Mischen von Discount, Eigenmarken und Premium beim Bestellen und Einkaufen ist Mainstream geworden.

9. Mehr Rücksicht in liquiden Zeiten

Wir befinden uns in der „liquiden Moderne“ (Zygmunt Baumann). Der Begriff bezeichnet den freien Fluss von Informationen, Finanzströmen, Gütern und Menschen. Wenn sich Konstellationen in der vernetzten Welt mit einer Unzahl an Akteuren täglich und kaleidoskopisch ändern, werden Flexibilität und Mobilität zum Gebot der Stunde. Wir müssen uns immer schneller an neue Umstände anpassen – das ist der Preis des hohen Vernetzungsgrades, den wir durch die Digitalisierung erreicht haben.

Das fördert wohl Individualismus und Egoismus, wahrscheinlich auch Illoyalität. Deshalb müssen wir neue Formen des Umgang entwickeln: etwa den rücksichtsvollen Stil. Weil wir alle im selben, enger werdenden Boot sitzen, müssen wir gegenseitig Lernprozesse beschleunigen.

10. Schluss mit der Selbst-Banalisierung

Wir müssen wieder mehr Verantwortung für uns selber übernehmen. Die Technisierung und Verwissenschaftlichung des Alltags hat unser Selbstbild und unsere Vernunft verändert. Der kleinste Nenner, auf den wir zusteuern, scheint „physical attraction“ und „chemical reaction“ (Madonna) zu sein. Wir banalisieren uns zurzeit selbst. Neuromanie, Darwinitis und diverse Formender biologischen Reduktionismus machen aus dem Menschen einen Affen, wie Professor Raymond Tallis in „Aping Mankind“ gezeigt hat. Ein Informatiker würde jetzt wohl den Reset-Knopf drücken. Wir können das nicht. Wir müssen unsere Stellung gegenüber den Dingen und die Wertschätzung untereinander neu definieren, sonst werden wir nicht in der Lage sein, die potenziell gigantischen Segen der modernen Technologie vernünftig zu nützen. Wenn wir aus Gleichgültigkeit moralisch anspruchslos werden, geben wir die Errungenschaften von Religion, Kunst, Ethik und damit auch unsere schöpferische Willensstärke preis. Das wäre gerade für die Wissenschaft fatal, die doch aus Differenzierung Wissen schafft.

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