Führungskräfte sind weniger wichtig, als sie glauben
Marc Stoffel ist CEO der Haufe-umantis AG in St. Gallen. Und vermutlich der einzige Chef, der von seinen Mitarbeitern gewählt – und wiedergewählt – wurde. Ein Gespräch über Demokratie als Führungsinstrument im neuen «GDI Impuls».
8 October, 2014
by
GDI Gottlieb Duttweiler Institute
Herr Stoffel, sind Sie schon im Wahlkampfmodus?
Dass man in einer Demokratie merkwürdige Dinge versprechen muss, nur um gewählt zu werden, ist ja wohl einer der Gründe, warum viele Manager ein Problem mit diesem System haben – schon gar für ihr Unternehmen.
Lassen Sie uns erst einmal bei den Wahlen bleiben: Sie wurden im Juni 2013 von den Mitarbeitern der Haufe-umantis AG als CEO gewählt.
Juni bis November, das ist nicht ein ganzes, sondern nur ein halbes Jahr.
Mit oder ohne Gegenkandidaten?
Hermann Arnold, den Sie als CEO abgelöst hatten.
Eine Wahl ohne Gegenkandidaten?
Und praktisch?
Kaum vorstellbar.
Werden Führungskräfte denn weniger wichtig, wenn sie gewählt werden?
Und Sie als der Chef aller Führungskräfte müssen dem so Gewählten dann den Arbeitsvertrag unterschreiben, ganz egal, was Sie von ihm halten?
Sie können den Gewählten also auch ablehnen?
Wird das von den Beschäftigten auch so gesehen und angenommen?
So, wie Sie das schildern, klingt es fast so, als würde durch Demokratie im Betrieb die Harmonie ausbrechen.
Ein heftiger Streit unter den Wählern kann jede Demokratie lähmen.
Hatten Sie einen solchen kontroversen, im ganzen Betrieb debattierten Fall auch schon?
Und am Ende stand dann eine Kampfabstimmung?
Apropos Verwaltungsrat: Wenn alles die Mitarbeiter entscheiden – was ist dann mit den Eigentümern?
Davon, die Mitarbeiter zu Eigentümern zu machen, halten Sie nichts?
Und dann gibt es da noch einen weiteren für das Unternehmen entscheidenden Player, den manchmal sowohl das Management als auch die Mitarbeiter vergessen: den Kunden. Dem geben Sie keine Stimme?
Eine Kritik an derart grossem Entscheidungsspielraum der Mitarbeiter lautet, dass diese dazu tendieren, am liebsten alles so zu lassen, wie es ist – und damit neue Trends nicht erkannt, neue Risiken nicht gesehen werden.
Zurzeit hat Ihr Unternehmen etwa 150 Mitarbeiter. Da lassen sich Demokratie und Mitarbeiter-Ermächtigung ja auch viel einfacher umsetzen als bei, sagen wir, 150 000 Leuten.